Die Ehre der Am'churi (German Edition)
quälten ihn nicht halb so sehr wie das Gefühl von Verrat und Einsamkeit, nachdem sein eigener Gott ihn zurückgelassen hatte.
12.
Jivvin unterdrückte den Schmerzensschrei, als das Seil sich spannte, das durch seine Handschellen gezogen worden war. Einen Moment später hing er unter der Decke des Verlieses, in das ihn die Elfen getragen hatten. Sie befanden sich irgendwo im Land der tausend Flüsse, in einer halbverfallenen Burg, die Menschen vor langer Zeit aufgegeben haben mussten. Es war seine Heimat, hier war er geboren worden. Diese Ruine kannte er allerdings nicht. Warum die Kalesh ihn hierher gebracht hatten, war ihm ein Rätsel, sie hatten ihn während des wochenlangen Marsches hierher kaum aufwachen lassen, keine seiner Fragen beantwortet. Nur selten hatten sie ihm Essen oder Wasser vergönnt. Entsprechend geschwächt war er, noch teilweise gelähmt und seine Sicht vernebelt. Dennoch glaubte er, sich den Weg durch die unterirdischen Tunnel gemerkt zu haben. Er wusste sogar, in welche Zelle man Ni’yo gebracht hatte.
Warum nur sind wir hier? Wenn wir geopfert werden sollen, warum hat man uns nicht in die Hauptstadt der Kalesh gebracht, wo auch immer die liegen mag? Warum hat uns niemand vorher etwas von diesem Gesetz verraten, und was hat es damit auf sich?
„Am’churi, kannst du mich verstehen?“
Ein Elf trat vor Jivvin, riss seinen Kopf an den Haaren hoch.
Jivvin rollte nur die Augen, zu mehr fühlte er sich im Augenblick nicht fähig.
Wenn ich nicht gelähmt wäre, würde ich dir das Grinsen aus dem Schädel treten, dachte er.
„Wie ich sehe, bist du wach. Kannst du reden?“ Der Kalesh sprach mit gelangweilter Sachlichkeit, die für Jivvin beunruhigender war als offene Brutalität oder Hass. So jemand war schwerer zu manipulieren, seine Reaktionen nicht leicht einzuschätzen. Jivvin war sich beinahe sicher, diesen Elf zu erkennen – der war doch schon bei dem ersten Angriff auf ihn dabei gewesen?
„Kannst du reden?“ Der weißhaarige Elf schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht, was nicht allzu sehr schmerzte, aber umso demütigender war.
„Ich kann es, aber ich habe dir nichts zu sagen“, presste Jivvin mühsam hervor. Es war schwierig, in dieser Haltung tief genug einzuatmen, um sprechen zu können.
„Das ist bedauerlich, war aber zu erwarten. Wir werden Möglichkeiten finden, deine Zunge zu lösen, nicht wahr? Ich will, dass du um Gnade und Vergebung für alles bittest, was die Söhne Am’churs wie auch euer Gott selbst unserem Volk jemals angetan hast. Du und der andere Krieger, ihr werdet stellvertretend für alle sterben.“
„Sterben werde ich. Um Gnade bitten niemals. Und Vergebung – ich wüsste nicht wofür. Ich weiß von keinem Vergehen gegen die Kalesh.“
„So ist das also, Am’chur hat euch unwissend gehalten?“ Der Elf lachte kalt. „Aber Unwissen schützt dich nicht, Drachenkrieger. Betteln wirst du, bevor dein Ende kommt!“
Jivvin wappnete sich für den Schmerz der Folter. Ein Glück, dass er noch geschwächt von dem Gift der Betäubungspfeile war, lange würde er nicht standhalten, ohne das Bewusstsein zu verlieren. Er stöhnte unterdrückt, als der erste Peitschenhieb zwischen seinen Schulterblättern landete, brennende Schmerzen sich über den gesamten Rücken ausbreiteten. Hoffentlich dauerte es nicht zu lange …
enn ich ihn dazu bringe, mich schwer zu verletzen, lässt man mich vielleicht mit geringer Bewachung zurück und ich kann fliehen, dachte Ni’yo. Ein absurder Gedanke, doch er sah keine andere Möglichkeit mehr. Er unterdrückte die Angst, die in ihm wütete, den Schmerz, den allein schon die Eisenfesseln verursachten. So von der Decke herabzuhängen war schon fast Folter genug, wenn es nur lange genug andauerte; er konnte kaum atmen. Der Elf , der hinter ihm an einem Tisch stand, ließ sich absichtlich Zeit, sortierte sich durch seine Instrumente, um die Nerven seines Opfers zu zerrütten. Offenbar besaß er damit Erfahrung.
„Willst du nicht doch lieber gleich um Gnade flehen? Du weißt, dass jeder Mensch unter der Folter zerbricht. Erspare dir die unendlichen Qualen, sei vernünftig!“, sagte der Schattenelf. Der höhnische Unterton enthüllte die Lüge in diesen freundlichen Worten. Er wusste genau, kein Am’churi würde freiwillig seine Ehre aufgeben. Ni’yo sparte sich die Antwort, es war sinnlos, kostbaren Atem zu verschwenden!
Er hörte, wie der Kalesh seine Wahl traf.
Schwer, lang. Eine dreigliedrige
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