Die Ehre der Am'churi (German Edition)
schaffe ich allein. Zu dieser Jahreszeit will niemand seine Pflugscharen ausgebessert oder sein Schlachtermesser nachgeschliffen haben.“
„Wir sind Am’churi. Zwar können wir dich nicht in höhere Geheimnisse einweihen, und deine Werkstatt ist nicht für das Herstellen von Stahl geeignet, aber mir fallen auf Anhieb drei einfache Vorschläge ein, mit denen du die Qualität deiner Arbeit verbessern kannst“, versicherte Ni’yo.
Neugierig neigte die Schmiedin den Kopf zur Seite, musterte die beiden Männer prüfend.
„Nenn mir einen, und ich befreie euch von dem Ding, ohne euch auch nur zu kratzen. Nenn mir drei, und ihr dürft hier bleiben, bis der Sturm sich verzogen hat, erhaltet Essen, trockene Kleidung und könnt unbeschadet wieder fortgehen.“
„Und wenn es an der Tür klopfen sollte, einige schlecht gelaunte Schattenelfen dastehen und höflich fragen, ob du zwei Männer mit einer auffälligen Armfessel gesehen hast?“, fragte Jivvin unbeeindruckt.
„Wenn eure Vorschläge es wert sind, könnte Am’chur höchstselbst in der Tür stehen und nach euch fragen, ich würde ihn rausschmeißen“, grinste die Frau gelassen. Ni’yo zog die Augenbrauen hoch, doch offensichtlich wusste die Schmiedin, auf welche Gefahr sie sich einließ, also schwieg er.
Auffordernd nickte er Jivvin zu. „Zeig du es ihr, mit Links bin ich nicht für Feinarbeiten zu gebrauchen.“
Schon bald waren sie zu dritt in ein intensives Gespräch über Eisenschlacke, Holzkohle und Schlagtechniken verwickelt. Während Jivvin demonstrierte, wie mit etwas mehr Kraftaufwand ein besseres Ergebnis produziert werden konnte, man dazu lediglich die Zusammensetzung der Rohstoffe ändern musste, begannen die Augen der Schmiedin zu leuchten.
„Es wird möglicherweise eine größere Zahl an Versuchen nötig sein, bis du nicht mehr allzu viele Fehlschläge erleidest, aber am Ende wirst du Werkzeug wie auch Waffen schmieden können, für die sich niemand mehr zu schämen braucht.“ Verächtlich wedelte Jivvin zu dem Säbel hinüber, den er hatte fallen lassen.
„Gesegnet seien die Himmlischen, dass ihr ausgerechnet in meine Hütte einbrechen musstet!“, rief die Schmiedin begeistert und schlug den beiden Kriegern krachend auf den Rücken. „Aber nun, ihr seid offenbar in schlechter Verfassung und ich lasse euch hier herumstehen“, fuhr sie fort.
„Schon gut. Es ist warm hier drin“, meinte Ni’yo schulterzuckend. Sie griff zu ihrem Werkzeug und hielt es in die Höhe.
„Wer von euch Hübschen will zuerst?“
Nachdem Yumari – so hieß diese merkwürdige Frau – sie von ihrer Fessel befreit hatte, was sich als langwierige Aufgabe herausstellte, die fast eine Stunde in Anspruch nahm, wies sie den beiden Am’churi wie versprochen einen Platz zum Schlafen und tischte warmes Essen auf. Sie sorgte sich ein wenig um die Erfrierungen, die beide Männer an Füßen und Händen erlitten hatten, doch die winkten ab – ihre Körper würden damit fertig werden, so lange noch ein winziges bisschen Leben in ihren Gliedmaßen steckte. Yumari bestand dennoch darauf, ihnen nach dem Essen ein heißes Bad in einem Nebenraum zu richten, wogegen sie beide nichts einzuwenden hatten. Ni’yo durfte zuerst, da er die schwereren Erfrierungen aufwies. Die Freude, sich wieder frei bewegen zu dürfen, ebenso wie der Genuss des heißen Wassers, wurden stark von Ängsten gedämpft. Einsamkeit … sie flüsterte in jeder Ecke dieses stillen Raumes, wie ein Tier, das ihm auflauerte. So lange war er einsam gewesen, hatte die Einsamkeit gesucht, sich in ihr stark gefühlt. Jetzt war er nur durch eine dünne Holzwand von seinem Geliebten und Yumari getrennt und es erstickte ihn trotzdem.
Ni’yo blieb gerade lang genug in dem großen Holzzuber, bis er sauber und aufgewärmt war, dann floh er regelrecht zurück in den Wohnraum. Er ließ sich nichts davon anmerken, doch am liebsten hätte er Jivvin begleitet, um nicht mit der Schmiedin allein bleiben zu müssen. Sie war eine Fremde, das war mehr, als Ni’yos zerrissene Seele im Augenblick ertragen wollte. Doch er schwieg und lächelte, als Jivvin ihn verließ.
„Sag mal“, flüsterte Yumari, kaum dass Jivvin durch die Tür verschwunden war, „sein Name ist wirklich Jivvin?“
Verwundert starrte Ni’yo sie an. „Ja, gewiss.“
„Ich frage nur, weil ich den Namen kenne. Nachbarn von uns hatten so’nen Jungen, der plötzlich verschwunden war. Niemand sagte, warum. Sein Alter käme hin … Und er sieht
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