Die Ehre der Am'churi (German Edition)
oft, dass man auf verständige Männer trifft, die mich nicht für eine Missgeburt halten und dazu noch gerne über die Schmiedekunst reden.“
„Wenn die Götter es wollen, werden wir uns schon bald wiedersehen“, erwiderte Ni’yo. Er schrak zusammen, als sie ihn in eine knochenbrechende, herzliche Umarmung zog. Noch immer hatte er Schwierigkeiten mit dem Gedanken, dass sie in ihm einen normalen Menschen sah.
„Ich freue mich auf euch!“
Sie brachen im Schutz der Dunkelheit auf, marschierten auf Vaio zu, vom ersten Tageslicht bis tief in die Nacht, ohne zwischendurch lange zu rasten – aber wann immer sie anhielten, konnten sie nicht voneinander lassen. Manchmal war Jivvin sich unsicher, ob Ni’yo sich nicht zu bereitwillig hingab, fast schon unterwürfig in seine Arme sank. Aber vielleicht war die Sehnsucht des jungen Am’churi nach Nähe und Berührung so stark, dass er immer danach verlangte, egal, wann Jivvin sich ihm näherte. In diesen Stunden sprachen sie nicht viel miteinander, es war ein zufriedenes, vertrauensvolles Schweigen. Auch, wenn sie sich erst jetzt wahrhaftig kennen lernten, es so vieles gab, über das sie reden wollten, hatten sie beide das Gefühl, dass sie erst die Antworten auf die dringendsten Fragen abwarten mussten. War die Gefahr durch die Kalesh nun gebannt? Galt das merkwürdige Gesetz nicht mehr, da ihnen die Flucht gelungen war? Jivvin achtete darauf, seinen Gefährten immer wieder zu berühren, ihm mit vielen kleinen Gesten zu zeigen, dass der Hass tatsächlich verschwunden war. Er wusste, Ni’yo war stark genug, um sich anzupassen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, aber es würde Zeit kosten, dazu jedes bisschen Kraft, das in ihm steckte. Die Art, wie Ni’yos Gesicht vor Freude aufleuchtete, wenn Jivvin nur seine Hand ergriff, oder ein freundliches Wort zu ihm sprach, berührte ihn tief, zeigte ihm, wie verletzt dieser Mann wirklich war. Er bewunderte die Kraft, mit der Ni’yo all dies trug, war froh, dass die Alpträume nicht mehr wiedergekehrt waren. Wenn neunzehn Jahre Hass notwendig gewesen sein mussten, um aus Ni’yo ein solch unglaubliches Wesen zu formen, solch eine Verbundenheit zwischen ihnen erst zu ermöglichen, dann waren es keine verlorenen Jahre gewesen. Entsetzlich, in vielerlei Hinsicht, aber nicht vergeudet.
In den frühen Morgenstunden betrachtete Jivvin seinen schlafenden Geliebten, versuchte diesen Moment der Ruhe in sich zu bewahren, in dem Bewusstsein, dass es möglicherweise bald enden könnte. Sie wussten nicht, was die Zukunft für sie brachte, welches Schicksal die Götter ihnen aufzwingen würde.
„Ich liebe dich“, flüsterte er, nachdem sie sich erneut vereint hatten, als sie zufrieden und müde dalagen, fest umschlungen, und sich einfach weigerten, den langen Weg in Angriff zu nehmen.
Ni’yo schwieg, doch das Glück, das aus seinen Augen strahlte, war Antwort genug.
„Es gibt keine Zukunft für uns“, wisperte er, suchte Jivvins Lippen für einen zärtlichen Kuss.
„Ich weiß. Aber du sollst trotzdem wissen, dass ich dich liebe. Ich verspreche dir nichts, weder, dass diese Liebe unsterblich ist noch irgendetwas anderes, was ich vielleicht nicht einhalten kann. Doch jetzt, hier, in diesem Augenblick, liebe ich dich.“
„Jivvin … wenn ich in Worte fassen könnte, was du mir alles bedeutest, was du mir geschenkt hast, würde ich nächstes Jahr noch hier liegen und reden. Ich liebe dich, Jivvin. Ich habe dich geliebt, als du mein Feind warst und ich dich dafür hasste, und ich liebe dich jetzt, mit allem, was ich bin und besitze. Was auch immer das Leben mir noch antun wird, du hast mich gerettet. Vor mir selbst und der Einsamkeit.“
Noch ein wenig zögerten sie das Unvermeidliche hinaus, küssten und umklammerten sich voller Wehmut. Doch schließlich mussten sie sich trennen und dem stellen, was auch immer sie erwarten würde.
Es war eine Übermacht von solchem Ausmaß, dass sie nicht einmal an Kampf zu denken wagten. Hunderte, vielleicht auch tausende Schattenelfen traten stumm zwischen den Bäumen hervor, so überraschend, als wären sie aus den Wurzeln selbst entsprungen. Flucht war ausgeschlossen, das wussten sie beide sofort. Ohne jede Hoffnung auf Überleben zogen die beiden Am’churi ihre Waffen, nickten einander rasch zu.
„Es ist gut, nicht einsam zu sterben“, flüsterte Ni’yo. Er hob den Säbel, bereit, als Krieger unterzugehen.
Doch da teilte sich die stumme Masse dunkler Gestalten, und der
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