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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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werden.
     Starr vor Entsetzen und zu keiner Tat mehr fähig, ließ Stephan sich auf den Hosenboden nieder und streckte die Beine von sich. Mit einer müden Handbewegung winkte er seinen Kmeten heran und sprach mit heiserer Stimme: »Sucht weiter nach den Kindern! Und wenn ihr sie gefunden habt, flüchtet mit ihnen in die Wälder. In diesen Kampf braucht ihr nicht mehr eingreifen, unser Gegner ist einfach zu übermächtig.«
     Ein tiefes Röcheln drang aus Stephans Brust, als er tief ein- und ausatmete.
     »Nun los doch, tut was ich euch gesagt habe. Rettet die Kinder und gründet eine neue Siedlung. Diese hier ist verloren.«
     Ungläubige und zweifelnde Blicke ruhten auf dem alten Cholp. Seine Begleiter wollten und konnten einfach nicht glauben, was ihre Ohren soeben vernommen hatten.
     Stephan bäumte sich auf und schrie seine Gefährten an: »Da!«, er wies mit dem Arm in das blutige Gemetzel. »Seht ihr denn nicht selbst, wie es um uns bestellt ist? Wollt ihr denn nicht wahrhaben, wie viele unserer Freunde bereits tot sind?«
     Abermals rang er tief nach Atem, bevor er beschwörend rief: »Ich flehe euch an, tut was ich euch geraten habe! Rettet die Kinder, solange noch Zeit ist, und dann euch selbst! Ihr könnt hier nichts mehr ausrichten!«
     Jetzt ergriff Paddies Vater das Wort: »Ihr habt gehört, was mein alter Freund Stephan zu uns sagte. Und glaubt mir, er weiß genau, wovon er redet. Also los, suchen wir weiter!«
     Erst zögerlich, dann aber umso entschlossener, rannte nun die kleine Truppe in Richtung des nächsten Hauses davon. Ihr Weg führte sie nur ein paar Schritte an den wogenden Leibern der Kämpfenden vorbei. Da sie aber nicht aktiv in den Kampf eingriffen, schenkte man ihnen kaum Beachtung.
     Eine tiefe Resignation befiel den alten Knecht. Er sah auf das tobende Gemetzel, als wäre alles nur ein böser Traum. Ein furchtbarer, realer Traum, der nichts als tiefe Trauer und bitteres Leid hinterließ, sobald er vorüber war.
     Aus weiter Ferne drang unterschwellig ein dumpfes Grollen an Stephans Ohren. Es war ein Geräusch wie von einem fernen Donner. Aber anstatt langsam abzuklingen, nahm er beständig an Intensität zu. Nur ganz langsam dämmerte dem alten Cholp, dass es sich nicht um ein nahendes Gewitter handeln konnte. Plötzlich hellwach geworden setzte er sich aufrecht hin, neigte den Kopf etwas zur Seite und lauschte. Ein winziger Hoffnungsschimmer keimte in ihm auf und verlieh ihm neue Kräfte. Er erhob sich schwerfällig, schlurfte mit schweren Schritten zum weit geöffneten Tor und stützte sich mit einer Hand am Pfosten ab. Um besser sehen zu können, legte er dann seine andere Hand an die Stirn und schirmte die Augen gegen die noch nicht hoch stehende Sonne ab.
     Der müde und ausgelaugte Mann brauchte nicht lange warten. An mehreren Stellen gleichzeitig brachen in breiter Front unzählige Reiter aus dem Wald hervor und galoppierten im atemberaubenden Tempo über die große Wiese, genau auf das Tor zu. Und der Strom der Reiter wollte einfach kein Ende nehmen. Es mussten Hunderte sein.
     Stephans Herz begann vor Freunde zu hüpfen, als er die Standarten und Wappen der benachbarten Slawenstämme erkannte, die ihnen in ihrer Not zur Hilfe eilten. Ein aufrecht stehender Wolf, ein tanzender Bär, ein gekrönter Stierkopf, der Gott mit den vier Gesichtern, Stephan nahm die verschiedensten Stammessymbole voller Genugtuung wahr. Sicherlich, die Hilfe kam spät, denn zu viele tapfere Burschen hatten bereits ihr Leben lassen müssen. Andererseits kam die Hilfe aber grade noch rechtzeitig, um den endgültigen Untergang der schönen Feisnecksiedlung verhindern zu können.
     Einen schnellen Sieg vor Augen und nun plötzlich in tiefste Bedrängnis geratend, eilte eine kleine Schar Kriegsknechte herbei, um das Tor zu schließen. Sie erreichten es jedoch nicht mehr rechtzeitig und wurden kurzerhand niedergeritten. Dicht an dicht drängten die Pferdeleiber durch das große Dorftor und rissen ihre Vorderhufe direkt vor der Linie des Ritterheeres in die Höhe. Wie eine Schutz suchende Schafherde drängten sich plötzlich die fremden Eroberer aneinander, stellten jegliche Kampfhandlungen ein und verbarrikadierten sich hinter ihren Schilden.
     Von einem Lidschlag zum anderen legte sich eine tiefe Stille über das Dorf. Nur ab und an wurde sie durch das aufgeregte Schnauben und Stampfen der Pferde unterbrochen. Niemand sagte ein Wort. Allerdings sprachen die Augen der sich gegenüberstehenden

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