Die Ehre der Slawen
erwirkt, die Rechtschaffenheit bei der Steuerbeitreibung zu begutachten. Aber nicht nur das! Als ob es noch nicht ausreichte, ihnen die kaiserlichen Lanzenreiter zu unterstellen, wurde auch er, ein Markgraf, dazu verpflichtet, den Anweisungen der von Wahlbecks Folge zu leisten. Was für eine Schmach! Nun denn: Er unternähme auf jeden Fall alles, um nicht bei der Kaiserfamilie in Ungnade zu fallen. Gnadenlos an den von Walbecks rächen, das konnte er sich immer noch. Nicht jetzt, nicht sofort, aber irgendwann käme seine Stunde schon noch, dessen war er sich ganz gewiss. Was spielte dabei der Kopf eines kleinen Ritters schon für eine Rolle.
Dietrich reckte sich im Sattel in die Höhe und blickte geringschätzig auf Udo herab.
»Wenn du deinen Auftrag nur erfüllen kannst, indem du kleinen Kindern das Messer an die Kehle setzt, dann bist du es nicht wert, ein Anführer genannt zu werden!«
Udo öffnete den Mund zu einer Rechtfertigung, wurde aber sofort barsch zurechtgewiesen: »Ein einziges Wort von dir, dann gnade dir Gott!«
Endlich dämmerte es dem Ritter, in welch einer verfahrenen Lage er und sein Markgraf sich befanden. Zähneknirschend presste er seinen Mund zusammen und senkte demütig sein Haupt. Diese Schlacht hatten die verdammten Heidenbastarde für sich entschieden. Aber noch war nicht aller Tage Abend. Er würde Rache nehmen, furchtbare Rache, das schwor er sich.
Die nächsten drei Tage vergingen wie im Fluge. Viele Tränen flossen, als die Gefallenen bestattet wurden. Aber auch eine neue Hoffnung, auf eine bessere, gerechtere Zukunft, wurde geboren. Thietmars Vater und Oheim überwachten peinlich genau die Berechnung der Steuer: der zehnte Teil, nicht mehr und nicht weniger! Sie wurden sich schnell mit Milosc einig. Als sie dann aber sogar für die Anfertigung von neuen Wagenrädern bezahlten und außerdem noch Speis und Trank für die Dauer ihres Aufenthaltes mit barer Münze entlohnten, nahmen sie schon fast als Freunde Abschied.
Oddar und seine Glaubensbrüder trennten sich vom Heer der vielen Krieger. Sie zogen allein weiter in Richtung Norden. Nach einem kurzen Aufenthalt im Bistum Hamburg sollte ihr neues Ziel Starigard 22 heißen. Dort wollten sie ihre Heilsarbeit wieder aufnehmen und das Evangelium verbreiten. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Am schwersten fiel dem kleinen Thietmar der Abschied, der in Paddie, Rapak und Bikus neue Freunde gefunden hatte. Als er dann auch noch die kleine Dusa kennenlernte, wäre er am liebsten hiergeblieben.
»Ob wir uns je wiedersehen werden?«
»Aber klar doch, ganz bestimmt!«
Die neuen Freunde ahnten noch nicht, wie bald dies bereits geschehen sollte.
*
Kapitel 27
Der lange Winter war vorübergezogen, ohne dass sich etwas Außergewöhnliches ereignet hatte. Jeden Morgen stieg die Sonne etwas früher über den Horizont und ihre wärmenden Strahlen wurden von Tag zu Tag kräftiger. Der letzte Schnee war schon längst geschmolzen und auch im Erdreich lauerte kein heimtückischer Frost mehr. Nacht für Nacht beobachtete der neue Krieve den Verlauf der Sterne, um den richtigen Zeitpunkt für den Beginn des neuen Jahres festzulegen.
Dann endlich war es so weit. Jutro, das Frühlingsfest, stand unmittelbar bevor und alle Siedler erwarteten voller Vorfreude den wohl wichtigsten Feiertag ihres Jahres. Ein Hammel und ein Schwein waren geschlachtet worden, der Brotteig mit Honig und gemahlenen Haselnüssen verknetet und letztendlich wurden die Festtagskleider noch einmal gründlich gesäubert und geglättet. Das neue Jahr sollte mit Freude und Jubel, aber auch mit Würde und Nachdenklichkeit beginnen, so, wie es sich gehörte.
Paddie, Rapak und Bikus hatten es sich am Fuße der Inselburg bequem gemacht und beobachteten fachmännisch, wie eine Gruppe junger Frauen und Mädchen eine riesige Puppe aus Stroh und Weidenruten zusammenflocht. Zu Beginn der Dämmerung sollte diese Puppe in einem einzigen Meer aus Flammen vergehen und somit das Ende des alten Jahres verkünden.
Während Rapak und Bikus munter miteinander scherzten und den fleißig arbeitenden Frauen zweifelhafte Ratschläge zuwarfen, breitete sich in Paddie plötzlich eine nagende Schwermut aus. Der Grund für die Trübsal war niemand anderes als seine himmelhoch angebetete Kosi. Und je länger Paddie über die Ungerechtigkeiten des Schicksals nachdachte, desto jämmerlicher fühlte er sich.
Fast ein halbes Jahr
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