Die Ehre der Slawen
beider Kontrahenten stießen mit einer derartigen Wucht gegeneinander, dass der Knall laut widerhallte. Vom Zusammenprall zurückgestoßen, verloren beide für kurze Zeit ihr Gleichgewicht und ruderten Halt suchend mit den Armen. Ihr gleichlaufender Plan, den Gegner im ersten Anlauf zu Boden zu stoßen, war nicht aufgegangen.
Nachdem Ritter Arnulf, der Einäugige, seine erste Verblüffung überwunden hatte, musste er sich insgeheim eingestehen: Respekt, dieser Mann konnte kein einfacher dummer Bauer sein, da stand ihm weit mehr gegenüber als nur ein primitiver Bastard. Er drehte den Kopf etwas, um seinen Gegner mit dem gesunden Auge besser abschätzen zu können. Allein schon die Kampfhaltung seines Gegenübers, wie er Schwert und Schild zu handhaben wusste, mahnten Arnulf zu Vorsicht. Dieser Mann war des Kampfes kundig, und auch wenn er schon fast ein gebeugter Greis war, so schien er doch fast ebenbürtig.
Zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt, begann Stephan den feindlichen Ritter langsam zu umrunden und ließ sein Schwert dabei kreisen. Sein linker Arm, der in der Schlaufe des Schildes steckte, war vom unglaublich starken Aufprall fast taub geworden. In seiner Schulter brannte das Feuer der Gicht stärker denn je, aber seine rechte Hand hielt kraftvoll das Schwert umklammert und er würde es bei der ersten sich bietenden Gelegenheit auch benutzen.
Währenddessen hatten die Siedler den ersten von drei schweren Riegeln aus seiner Halterung gehoben und polternd zu Boden geworfen.
»Wo bleibt ihr denn, zum Teufel noch mal?«, rief Arnulf lauthals fluchend zum Wehrgang hinauf.
Seine Leute hatten es jedoch vorgezogen eine Leiter zu benutzen, wodurch sich eine kleine Verzögerung ergeben hatte. Als allerdings der zweite Riegel zu Boden fiel, waren sie zur Stelle und drangen laut brüllend auf die Dörfler ein. Diese mussten nun notgedrungen ihre Arbeit unterbrechen und sich zur Verteidigung aufstellen. Nur noch ein Querbalken hielt das Tor verschlossen. Die Hilfe schien so nah und war doch unerreichbar!
Mit dem Mut der Verzweiflung und allem, was sie an Waffen besaßen, droschen die Siedler auf die kampfbereit erhobenen Schilde ein und konnten so die Angreifer um mehrere Schritte zurückdrängen. Als einer der Verwegensten erwies sich unerwarteterweise der mürrische Töpfer. Ohne auf irgendwelche Deckungen zu achten, ohne Furcht um Leib und Seele stürzte er sich auf den ihm am nächsten stehenden Feind und hieb mit seiner Dornenkeule so kraftvoll auf den entgegengestreckten Schild ein, dass dieser glatt durchschlagen wurde. Die langen, sorgsam gehärteten Stahlspitzen durchbohrten mühelos das Eisen, als bestünde es aus weichem Pappelholz. Sie drangen durch die Glieder des Kettenhemdes, durchstießen blitzschnell Muskeln und Fleisch und kamen erst tief im Knochen des Unterarmes zum Stehen. Der Töpfer verlor auf diese Weise zwar seine Waffe, aber dafür hatte er den Schild seines Gegners buchstäblich an dessen Arm festgenagelt. Der Getroffene ließ sein Schwert fallen, ging brüllend zu Boden und versuchte sich verzweifelt seines Schildes zu entledigen.
Im Nu hechtete der Töpfer vor, um sich die fallen gelassene Waffe anzueignen. Dabei schien es ihm völlig gleichgültig, dass er genau vor den Füßen seiner Feinde landete. Er bekam den Knauf des Schwertes zu fassen und schloss kraftvoll seine Hand darum. In dem Moment, als er sich wieder aufrichten wollte, ereilte ihn der tödliche Schlag. Im Dorfe seit Ewigkeiten als mürrischer Stänkerer bekannt starb der Töpfer mit einem gespaltenen Schädel, ohne dass noch der kleinste Laut über seine Lippen gekommen war. Erst viel später, als sein Leichnam bestattet wurde, fiel jedem, der ihn noch zu sehen bekam, das zufriedene Lächeln auf, das sich im Augenblick des Todes auf seinen Lippen gebildet hatte.
Stephan und Ritter Arnulf drangen unterdessen mit immer größerer Verbissenheit aufeinander ein: Zuschlagen, parieren, einen kurzen seitlichen Ausfall vortäuschen, einen Schritt vorspringen, zuschlagen, einen Schritt zurückspringen, dem nächsten Schlag des Gegners ausweichen und das tödliche Spiel begann wieder von vorn. Trotz seines Alters hatte Stephan nicht vergessen, welchen Beruf er einst erlernt hatte. Leider war jedoch seine Ausdauer bei Weitem nicht mehr so gut wie früher, auch wenn seine Muskeln durch die tägliche Arbeit immer noch hart wie Stahl waren.
Schnell merkte Arnulf, wie schwer der Atem seines Gegners ging und wie
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