Die Ehre des Ritters (German Edition)
…«
»Alys of Droghallow.« Isabel fing an zu zittern, als sie die Bedeutung dieser Worte begriff. Ein Sturm der Gefühle tobte in ihrem Inneren, eine Mischung aus Erleichterung und Sorge, Verwirrung und plötzlicher Erkenntnis. Sie schüttelte den Kopf und begegnete Lady Joannas reuevollem Blick. »Also ist Griffin …«
»Mein Sohn«, beendete die Edeldame den Satz. »Der Anhänger an deinem Hals gehört ihm. Er zeigt die eine Hälfte meines Familienwappens. Sebastian trägt einen Anhänger mit der anderen Hälfte. Ich habe die Kette in Griffins Windeln gelegt, um Alys einen Hinweis auf seine Herkunft zu geben.«
Isabel schloss die Hand um das Medaillon mit dem weißen Löwen, das über ihrem Herzen hing. »Er wusste es nicht«, sagte sie hölzern. »Alys hat es ihm nie gesagt.«
Lady Joanna seufzte traurig auf. »Sie hat es ihm nicht erzählt, weil ich sie schwören ließ, ihm die Wahrheit niemals zu verraten, denn ich wusste, wenn er sie kannte, würde er hierherkommen. Und ich konnte nicht vorhersehen, wie mein Gemahl sich bei seinem Anblick verhalten würde. Der Gedanke, dass er meinem Kind ein Leid zufügen könnte, war mir unerträglich, und so fand ich mich damit ab, sein Aufwachsen aus der Ferne zu beobachten und mir von Alys in ihren Briefen berichten zu lassen, was er tat, wie es ihm ging. Vor einigen Jahren ist sie gestorben, aber bis dahin haben wir zumindest einmal im Monat korrespondiert, immer handelten unsere Briefe von Griffin. Ich hätte mir keine besseren Söhne wünschen können.«
Isabel schwirrte der Kopf. Lady Joannas Geständnis – die überraschende, unabänderliche Tatsache, dass Griffin und Sebastian Brüder waren – hatte weitreichende Konsequenzen – sowohl für ihre Beziehung zu Griffin als auch ihre Verlobung mit Sebastian. Zuvor hätte sie durch eine Vermählung mit Sebastian lediglich ihr eigenes Herz betrogen, nun aber käme diese nach den Heiligen Geboten einer Blutschande gleich. Der König würde die Ehe wohl kaum rechtfertigen können, falls die Kirche die ganze Wahrheit erfuhr.
»Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich Griffin als erwachsenen Mann wiedersehen würde«, murmelte Lady Joanna. Ihre Stimme klang weich und unendlich traurig. »Ich habe wohl nicht auf diese Chance zu hoffen gewagt, nach allem, was ich ihm angetan habe. Aber als ich das Medaillon an deinem Hals entdeckte, glaubte ich, meinen eigenen Augen nicht zu trauen.«
»Ihr müsst es ihm sagen«, meinte Isabel und drückte fest Joannas Hände. »Ihr müsst Griffin wissen lassen, wer er ist. Sebastian muss erfahren, wen er in den Kerker werfen ließ …«
»Oh, meine Liebe«, erwiderte Lady Joanna, und eine dicke Träne lief über ihre Wange. »Sie wissen es bereits. Gott steh mir bei, ich habe ihnen alles erzählt … und nun kann ich nur noch beten, dass ich nicht beide Söhne verloren habe.«
30
Griffin betrachtete Montbornes dunklen Lord – seinen Bruder – und fand keine Worte. Nach dem verblüffenden Geständnis ihrer Mutter war er sofort von seinen Fesseln befreit und aus der Zelle geholt worden. Doch in der kurzen Zeit, die vergangen war, seit sie die beiden Männer allein im Kerker zurückgelassen hatte, waren sie bisher zu nichts weiter fähig gewesen, als sich mit argwöhnischen Blicken zu beäugen.
Griff ahnte Sebastians Gedanken. Zweifellos ähnelten sie den seinen. Wie anders wäre ihr Leben wohl verlaufen, wenn sie nicht fünfundzwanzig Jahre in Unkenntnis voneinander verbracht hätten? Was wäre wohl geschehen, wenn man ihnen die Existenz des anderen nicht verschwiegen hätte, die Verwandtschaft, das brüderliche Band nicht verleugnet hätte? Zu welchen Menschen wären sie wohl geworden, hätten sie nicht ihr halbes Leben lang eine Lüge gelebt?
In Griffins Kopf kreiste jedoch neben dem Wirrwarr der vielen anderen noch ein weiterer Gedanke: Welch bittere Ironie es doch war, dass er, hätte man ihn vor all diesen Jahren nicht zu einem Leben in Namenlosigkeit nach Droghallow verbannt, nun Earl of Montborne wäre …
Und Isabel wäre seine Braut.
»Es ist schon komisch, wisst Ihr«, sagte Sebastian schließlich. »Mein ganzes Leben lang wurde ich für meine Aufgabe als Earl erzogen. Als einziger Sohn und Erbe der Titel und Besitztümer meines Vaters lastete die Verantwortung für Montborne – die Ehre, ein solch blühendes und wohlhabendes Lehen zu führen – schwer auf meinen Schultern. Offen gestanden schien mir der Mantel des Burgherrn nie so recht zu passen.« Er warf
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