Die Ehre des Ritters (German Edition)
schlanke Gestalt in einen edlen Bliaut aus burgunderfarbenem Samt gehüllt.
Und sie weinte.
» Mon Dieu «, flüsterte sie und trat an seine Zelle heran. Der Saum ihrer Röcke raschelte über den strohbedeckten Boden. Sie richtete den Blick auf Griffin und erstarrte. »Öffnet diese Zelle.«
Der Ritter blickte sie ungläubig an. »Aber Mylady, das darf ich nicht. Der Mann ist ein Gefangener des Earls.«
»Öffnet sie. Bitte.«
In diesem Augenblick betrat Sebastian den Kerker. Das flackernde Licht der Fackeln und seine angespannte Miene ließen die Konturen seines Gesichts scharf hervortreten. »Tut, was sie sagt«, befahl er dem Wächter und warf Griffin einen warnenden Blick zu. »Ich bin sicher, er wird nicht so töricht sein, meiner edlen Mutter ein Leid zuzufügen.«
Den Schlüssel in der Hand, ging der Wachposten wie befohlen zu der Zelle und öffnete die eiserne Gittertür. Dann trat er zur Seite, um Lady Montborne, die zögernd vortrat, vorbeizulassen. Mit zusammengepressten Lippen blickte sie Griffin an. Ihr blasser Blick suchte den seinen, studierte ihn. Sie schluckte, als sei sie nicht sicher, ob die Stimme ihr gehorchen würde.
»Wie heißt Ihr?«, fragte sie leise und kam, trotz der grimmigen Warnung ihres Sohnes, näher.
»Ich bin Griffin of Droghallow, Madam.«
»Das seid Ihr.« Es war mehr ein Seufzen als eine Feststellung, ein atemlos geflüsterter Satz, der ihr eine schwere Last von den Schultern zu nehmen schien. »Griffin«, wiederholte sie und hob die zitternden Fingerspitzen an ihre Lippen. Sie machte einen weiteren Schritt auf ihn zu und noch einen, bis sie schließlich vor ihm stand. Ein Schimmer tanzte in ihren mit Tränen gefüllten Augen, eine Gefühlsregung, die nicht etwa Wiedererkennen war, doch diesem sehr nahekam, eine tiefe, nicht deutbare Empfindung. »Ihr seid Griffin of Droghallow.«
Er nickte leicht, woraufhin Lady Montborne aufschluchzend den Kopf beugte und seine Hand ergriff.
Und auf dem trockenen Teppich aus Stroh vor ihm auf die Knie sank.
Ratlos und verblüfft sah Griffin zu, wie Lady Montborne weinend seine Hand an ihre Wange drückte.
»Vergebt mir«, sagte sie und hob das Gesicht zu ihm auf. »Bitte … vergebt mir.«
Hinter sich hörte er den Earl fluchen. Sein ungläubiger Blick begegnete dem Griffins. »Was zum Teufel hat das zu bedeuten? Ich verlange eine Erklärung für den Irrsinn, dessen Zeuge ich gerade werde.«
Griffin konnte ihm keine Erklärung geben, aber Lady Montborne tat es.
»Ich kann nicht zulassen, dass du den Tod dieses Mannes verschuldest, mein Sohn«, antwortete sie und eine Träne tropfte von ihrem Kinn auf Griffins Hand. »Denn du musst wissen, Sebastian … er ist dein Bruder.«
Rastlos, das Herz schwer vor Kummer über ihre ausweglose Situation, schritt Isabel in ihrer Kammer auf und ab. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Griffin am nächsten Morgen vor Gericht gestellt werden würde, ebenso wenig wie den Gedanken, auch nur einen einzigen Tag ohne ihn zu verbringen. In der Zeit, die sie nun allein in ihrer Kammer weilte – eine Stunde, vielleicht auch länger –, hatte sie mindestens ein Dutzend Pläne geschmiedet, wie sie das katastrophale Unglück, das ihr Leben überkommen hatte, wieder abwenden konnte. Lächerliche Pläne, die vorsahen, mit Griffin zu fliehen; Pläne, die sie wieder einmal zu Flüchtlingen machen würden, wenn sie sie nicht gar ihrer beider Leben kosten würden.
Pläne, die bedeuteten, sich dem Befehl des Königs zu widersetzen und ein kleines Mädchen im Stich zu lassen, das in einem abgeschiedenen Kloster vertrauensvoll darauf wartete, dass Isabel es nach Hause holte.
»Oh, Maura«, seufzte sie in der Einsamkeit ihrer Kammer. »Ich habe ein größeres Unheil angerichtet als Papa.«
Blicklos starrte sie in die tanzenden Flammen des Feuers in dem großen Steinkamin, der die Wand beherrschte, und war so vertieft in ihre Gedanken, dass sie das leise Klopfen an der Tür gar nicht wahrnahm. Als die Tür sich quietschend öffnete, drehte sie den Kopf mit der Absicht, die Magd, die ihr vor einer Weile einen Imbiss und Wein aus der Küche hatte holen wollen, wieder fortzuschicken. Doch nicht die Dienstmagd trat in den Raum, sondern die Mutter ihres Verlobten.
Lady Montborne stand in dem sichelförmigen Streifen, den der Schein der Fackeln vom Korridor ins Zimmer warf. Sie schenkte Isabel ein Lächeln, indes lag in ihren Augen Betrübnis. Trotz des spärlichen Lichts konnte Isabel sehen, dass ihr
Weitere Kostenlose Bücher