Die Ehre des Ritters (German Edition)
es leid, seine ständigen Spielchen hinzunehmen. Im Grunde hatte er das nie getan. Viel zu lange schon hielt er seinen Unmut auf den arroganten Lord tief in seinem Inneren verborgen, führte seine Befehle aus und zähmte seine Missbilligung, weil er den schwachen, kränklichen Jungen, der Dom einst gewesen war, bedauerte und verstand, warum er zu diesem verbitterten Mann herangewachsen war. Nicht zum ersten Mal dachte Griffin darüber nach, ob er nicht zum Teil für Doms bösartiges Wesen verantwortlich war. Griffins Anwesenheit auf Droghallow war Dominic schon seit Langem ein Dorn im Auge. Er machte keinen Hehl daraus, dass er es vorzöge, wenn Griffin die Burg verließ. Doch gewiss war dieser Wunsch nicht stärker als Griffins eigenes Verlangen, Droghallow zu verlassen.
Damit jedoch würde er einen Schwur brechen. Ein Versprechen, das er Doms Vater Robert, dem alten Earl, gegeben hatte. Sir Robert war ein harter Mann und ein strenger Herr gewesen, dennoch hatte Griffin ihn ebenso sehr respektiert wie einen eigenen Vater. Ohne ihn und die großherzige Lady Alys hätte Griffin nichts in seinem Leben besessen. Vermutlich wäre er gestorben, wenn das gütige, edle Paar ihn nicht bei sich aufgenommen hätte, nachdem ihn seine eigene Familie verstoßen und dem Wohlwollen von Fremden überlassen hatte.
Sir Robert liebte seinen Sohn, indes stiftete Dominic reichlich Unfrieden und bereitete ihm ständig Sorge. Obwohl er versuchte, seinen einzigen Erben Verantwortungs- und Ehrgefühl zu lehren, befürchtete er, wie er Griffin des Öfteren anvertraute, dass Dominic möglicherweise nie fähig sein würde, sein Lehen gerecht zu führen. Zu Griffins Verblüffung ließ er ihn eines Tages schwören, nach seinem Dahinscheiden auf Droghallow zu bleiben. Griffins Beteuerungen, Sir Robert seien gewiss noch viele schöne Jahre beschieden, stießen auf taube Ohren. In ungewohnt niedergeschlagener Stimmung nahm ihm der Earl das Versprechen ab, sich um seine Interessen zu kümmern und dafür zu sorgen, dass Dom seinem guten Namen keine Schande bereitete.
Griffin leistete diesen Schwur, ohne zu wissen, was er dafür aufgeben musste, und war gezwungen, ihn noch im selben Jahr einzulösen. Einzig dieser Eid hatte ihn in Droghallow gehalten. Er hatte ihn daran gehindert, seine eigenen Träume zu verfolgen, Antworten auf Fragen zu suchen, die ihn bereits sein ganzes Leben lang plagten. Wer war er? Woher kam er? Wohin gehörte er?
Griffin wusste nicht, wann genau er schließlich den Entschluss gefasst hatte, dies herauszufinden. Er wusste nur, dass er eines Tages auf einen Topf hart verdienter Silbermünzen blickte – der Lohn für mehr als zwei Jahre – und plötzlich wusste, warum er sparte: Er wollte Droghallow verlassen. Er wollte so viel Geld sparen, dass er an irgendeinem anderen Ort ein neues Leben beginnen konnte, und dann würde er gehen. Diese letzte Aufgabe, so grässlich sie auch war, hätte ihm dieses neue Leben ermöglicht. Allerdings war sich Griff inzwischen sicher, dass sein Stiefbruder sich, entgegen seiner Beteuerungen, bereits voller Schadenfreude einen Weg überlegte, wie er ihn um diese Freiheit, die er sich so sehr wünschte, betrügen könnte.
Verstimmt darüber, weil er Doms Wort überhaupt vertraut hatte, stieß Griff einen Fluch aus und rief dann nach einem der Knappen, der die gestohlenen Pferde der Eskorte in die Stallungen bringen sollte. Man musste ihn nicht erst dazu überreden, sich Odo und den anderen Männern in der Dorfschenke anzuschließen, wo er sich in den nächsten Stunden in einen unheilvollen schwarzen Nebel trank.
Um Mitternacht beschloss er, dass er genug hatte. Er war betrunken, aber nicht bereit, Doms gegenwärtige Machenschaften hinzunehmen. Er leerte seinen Krug Ale, schob den Stuhl zurück und ging über den gestampften Lehmboden zur Tür.
»Stimmt was nicht, Griff?«, rief Odo ihm über die Schulter der Schankmagd nach, die auf seinem Schoß saß. »Wo willst du hin?«
»Ich werde mir das holen, was mir zusteht«, antwortete dieser und ließ die Tür knallend hinter sich ins Schloss fallen.
5
Die Nacht war bereits halb verstrichen, ehe Isabel ihrer Erschöpfung nachgab. Trotz aller Müdigkeit schlief sie ruhelos und zuckte bei jedem Geräusch und jeder Bewegung auf dem Flur vor ihrer verschlossenen Kammertür in Todesangst zusammen. Jede Stimme, die durch den Turm hallte, ließ sie von ihrem harten Lager auffahren und angstvoll lauschen, ob dieser Albtraum, in dem sie sich befand,
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