Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten
theatralisch, beugte sich dazu weit vor, damit ich ihn verstehen konnte.
»Aha«, sagte ich.
Er verfiel wieder in Schweigen, sah sich um und kontrollierte, ob uns jemand belauschte. Wir erregten erstaunlich wenig Interesse. Obwohl dieses Café unser Stammplatz war, war um diese Uhrzeit keiner unserer Bekannten anwesend. Alles Nachtschwärmer wie wir.
»Was hast du denn getan?«
»Ich habe mich von Sabine getrennt. Was sagst du nun?«
Ich lehnte mich zurück und holte tief Luft. Sabine war seine langjährige Freundin. Aber nicht nur das. Sie war in gewissem Sinne auch meine. Nur noch nicht so lange. Und ohne sein Wissen, selbstverständlich. Sie war meine große Liebe. Aber wir spielten die Desinteressierten. Mehr als das normale Bedauern durfte ich also unter diesen Umständen nicht zeigen. Ein lapidares »Oh, das tut mir aber leid«, fand ich ziemlich unverfänglich, obwohl ich innerlich jubilierte.
Das Mädchen brachte meinen Cappuccino, das Croissant, eine Tasse normalen Kaffee und ein Glas Wasser.
»Das ist alles, was du dazu sagst?«
Ich sah teilnahmsvoll drein und machte mich über mein Getränk her.
Er stürzte das Glas Wasser hinunter und schob die Kaffeetasse weit von sich, haarscharf bis an den Rand des Tisches. »Es ging einfach nicht mehr, weißt du?«
»Wieso denn nicht?«
Er klagte schon eine Weile über Sabines Verhalten. Genau genommen etwa seit dem gleichen Zeitraum, innerhalb welchem wir uns nähergekommen waren.
»Sie war nicht mehr bei der Sache.«
»Welche Sache?«
»Ich meine bei mir«, sagte er, schlug sich auf die Brust und unterdrückte einen Rülpser.
»Ah, verstehe.«
»Nein, du verstehst gar nichts. Wie denn auch? Du, der ewige Single, du weißt ja gar nicht, wie es ist, in einer Beziehung zu leben. All die tödlichen Kleinigkeiten, mit denen man sich das Leben zur Hölle macht. Jedenfalls hat sie mir eine Szene gemacht, als ich es ihr auf den Kopf zugesagt habe.«
»Was denn?«
»Oh Mann, du bist wie sie. Niemand hört mir richtig zu.«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich verstand kein Wort, aber ich stellte keine Fragen mehr.
Er kam langsam in Redefluss, und alles schien überhaupt nichts mit mir zu tun zu haben. Ich meine mit Sabine und mir. Sehr beruhigend. Jetzt würde das ewige Versteckspielen aufhören. Ich versuchte, meine Erleichterung zu verbergen, und blickte auf die Uhr. Meine dreißig Minuten waren seit dreißig Minuten vorbei.
»Wie das so ist, eines kam zum anderen. Wir saßen uns gegenüber beim Frühstück wie immer. Sie provozierte mich, mein Kaffee sei wieder zu dünn, da könne man ja bis auf den Boden sehen vor lauter Geiz, und nicht heiß genug, weil die Kaffeemaschine angeblich hinüber sei, und immer diese billige Sorte aus dem Aldi, das sei ja widerlich ... da habe ich es ihr endlich gesagt. Es ist aus. Ich verlasse dich. Da fing sie an herumzutoben, so lange bis ich ihr eine gescheuert habe.«
»Du hast sie geschlagen?« Meine Tasse fiel auf den Unterteller zurück.
»Sie fing an zu heulen, dann hab ich sie geschüttelt.«
»Was war bloß in dich gefahren?«
»Da fing sie an zu schreien, da hab ich ihr meinen Kaffee ins Gesicht geschüttet, der immerhin noch heiß genug war, sie zu verbrühen.«
»Du hast sie ...?«
»Da schrie sie noch mehr und sprang auf, zog die Tischdecke mit, die Kaffeekanne fiel vom Stövchen, die braune Brühe lief bis auf unsere Füße.«
Zwischendurch winkte er dem Mädchen mit seinem Glas und zeigte mit der anderen Hand auf mich.
»Wie geht es ihr jetzt?«, fragte ich erstarrt.
»Nun ja.«
»Hast du sie zum Arzt gebracht?«
Er schüttelte den Kopf. Ich sprang auf.
»Setz dich.«
»Nein, ich denke nicht dran, ich fahre sofort zu ihr und bring sie zum Arzt. Du kannst sie doch in diesem Zustand nicht allein lassen. Weißt du was? Du bist ein Ekel. Das hätte ich nicht von dir gedacht. Einfach eklig. Ich schäme mich für dich. Frauen schlagen, das ist ja wohl ...«
»Setz dich.« Er stand auf, legte mir die Hände auf die Schultern und drückte mich auf meinen Stuhl. »Du hast da was«, sagte er und zeigte auf meinen rechten Mundwinkel.
Ich leckte einen Croissantkrümel ab.
»Lass mich doch erst zu Ende erzählen.«
»Ich will nichts mehr hören.«
»Dass dich das so mitnimmt, hätte ich nicht gedacht. Du hast doch Sabine nie besonders gemocht.«
Was sollte ich dazu sagen?
»Danach wollte ich nur noch weg, wie du dir denken kannst, bin an den Schrank und hole mir die Kaffeedose raus, in der wir unser
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