Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten
meint: »Gleich.«
Ausfahrt Miel.
Uschi gluckst, rutscht tiefer in ihren Sitz, und die Ingwer-Flasche fällt ihr aus der Hand in den Fußraum und rollt dort hin und her.
»Was ist mir dir?«, fragt Paula.
»Ich weiß nicht, ich glaube, mir wird schlecht.« Uschi wird sonst immer nur auf kurvigen Landstraßen schlecht.
»Aber ich bin doch ganz normal gefahren!«
Paula runzelt die Stirn. »Wie siehst du denn aus? Oh je! Schaffst du’s noch bis zum nächsten Parkplatz?«
»Nur wenn dort ein Klo ist!« Uschi gluckst wieder undefinierbar und nickt vorsichtig, kann aber noch die Flasche vom Boden aufheben. Sie betrachtet den Rest der gelbgrünen Flüssigkeit von allen Seiten und studiert das Mindesthaltbarkeitsdatum. Alles im grünen Bereich. Sie klappt die Sonnenblende herunter und betrachtete sich in dem kleinen Spiegel. Sie findet, dass ihre Gesichtsfarbe auch ein bisschen nach Ingwer aussieht, gelbgrün.
»Da!« Paula zeigt auf ein Hinweisschild am Fahrbahnrand. »Raststätte Peppenhoven. Noch zwei Kilometer. Mit WC! Ich beeil mich auch.« Sie tritt das Gaspedal durch und wechselt auf die Überholspur.
Uschis Augen werden schwer, sie schafft es nicht länger, sie offen zu halten, ihr Kinn fällt auf die Brust, ihre Hände sinken in ihren Schoß. Ihr Oberkörper rutscht im Haltegurt Richtung Seitenscheibe. Wohingegen ihr Geist noch relativ wach ist. Wach genug, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Ingwer-Bionade schuld an ihrem Zustand sein muss. Und da die von Paula stammt, ist Paula schuld. Und da Paula schuld ist, ist das Motiv offenbar: Leo!
Raststätte Peppenhoven.
Paula fährt in eine der Parktaschen vor der hell erleuchteten Raststätte, steigt aus, läuft um das Auto herum, öffnet die Beifahrertür und zerrt an Uschi. Uschi, die wissen möchte, was Paula nun mit ihr vorhat und sich kränker und willenloser gibt, als sie ist.
Paula greift unter ihre Arme und schleppt sie die zwei Stufen hinauf, durch die Drehtüre und an den fragenden Augen des Personals und der wenigen Reisenden vorbei Richtung Waschraum.
»Es geht ihr nicht gut!«, ruft sie. Man nickt verständnisvoll, wer kennt sie nicht, die Unpässlichkeiten der Frauen! Man bietet Hilfe an, Paula lehnt ab.
Sie setzt Uschi auf ein WC, balanciert sie gegen die Rückwand, so dass sie nicht umfallen kann und legt den Riegel von innen quer. Sie lässt sich auf die Knie fallen und kriecht durch den Zwischenraum, den die Trennwand zum Boden offen lässt, in die Nachbartoilette, die, wie sie vorher inspiziert hat, frei ist. Sie wirft abgezähltes Geld für zwei Toilettenbesuche auf den kleinen Teller, weil sie es schäbig findet, eine Klofrau zu betrügen, und verlässt den Waschraum.
»Ich hol nur schnell ihre Tasche aus dem Auto!«, ruft sie der Klofrau zu.
Das tut sie jedoch nicht, sondern stopft dieselbe in einen Papierkorb auf dem Parkplatz, fährt auf die Autobahn bis zur Ausfahrt Rheinbach, wendet dort und fährt zurück nach Köln.
»Wir haben uns geeinigt«, wird sie Leo sagen. »Uschi verzichtet. Aber sie kann nicht länger in deiner Nähe sein, das hält sie nicht aus, sondern irgendwo anders auf der Welt. Ein Lkw-Fahrer hat sie mitgenommen«.
Aber kein Lkw-Fahrer nimmt sich Uschis an. Uschi, die langsam einen Teil der Kontrolle über ihren Körper wiedergewinnt, lässt sich mit einem deutlichen Plumps auf den Boden fallen, als die Nachbartoilette gereinigt wird. Ein Arm und ein Bein rutschen unkontrolliert unter der Trennwand hindurch.
»Kindchen!«, stößt die Klofrau hervor und öffnet mit einem Spezialschlüssel Uschis Kabine. Sie zerrt die kraftlose, junge Frau in den Flur, zückt ihr Handy und wählt geistesgegenwärtig die 112, obwohl Uschi ihr versucht beizubringen, dass sie es bleiben lassen soll.
Die Klofrau holt zwei Decken, schiebt eine unter Uschi und deckt sie mit der zweiten zu. Der Notarzt kommt, untersucht Puls, Blutdruck und Herz, runzelt die Stirn und lässt sie schließlich auf einer Trage in den Rettungswagen bringen, der unauffällig hinter dem Restaurant steht.
Dort setzt er Uschi eine Kreislauf aufbauende Spritze und hält ihr eine Standpauke wegen leichtfertigen Handelns. Die Erklärung, nicht sie, sondern Paula sei an allem schuld, lässt er nicht gelten. Auch Liebeskummer, meint der junge Notarzt und zieht die Nase hoch, sei kein ausreichender Grund, mit seinem Leben zu spielen. Außerdem habe er Besseres zu tun, als verliebte Selbstmörder zu retten und werde ihr eine saftige Rechnung schicken.
Die
Weitere Kostenlose Bücher