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Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Titel: Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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Fußspitzen am Rand der Grube und blickt hinein. Das Loch ist etwa zwei Meter lang, einen Meter breit und reicht Alfred bis zum Bauch. »Dein eigenes Grab?«
    Alfred lächelt gequält.
    »Wie siehst du überhaupt aus?«
    Er sieht an sich herab und zuckt mit den Achseln. Er trägt seinen nagelneuen, dunkelblauen Trainingsanzug mit drei weißen Streifen auf der Hosennaht und den Ärmeln, seine Füßen stecken in weißen Schuhen mit drei blauen Streifen, nur sein rotes Käppi ist von Nike. Die Lehmstreifen auf den Oberschenkeln und Turnschuhen versucht er zu erklären. »Frau Umbach ...«
    »Wer soll das schon wieder sein?«, keift sie.
    »Ihr gehört doch die Laufschule.«
    »Sie soll dir das Laufen beibringen und sonst nichts.«
    »Ich bin doch eben schon mit ihr gelaufen, Mathilde, ehrlich. Da hinten am Friedhof entlang bis zum Moor. Sie ist jetzt mit einer anderen Gruppe unterwegs.«
    »Wer’s glaubt wird selig.«
    »Du kannst sie ja fragen. Es ist nämlich so.« Während sie die Hände in die Hüften stemmt, stützt er sich auf dem Spaten ab und sieht zu ihr auf. Lehmstreifen verzieren seine verschwitzte Stirn und die Wangen, als sei er auf dem Kriegspfad. »Frau Umbach will ein Lehmstampfbecken bauen ...«
    »Na und?«
    »Stell dir vor, die Handwerker haben sie sitzen lassen«, erklärt Alfred mit weinerlicher Stimme.
    »Ihr Problem.« Mathilde wandert um die Grube herum, wie ein Jäger, dem ein Tier in die Falle gegangen ist. Alfred verrenkt sich den Kopf, um ihr mit seinen Blicken folgen zu können.
    »Du hast ja recht«, gibt er zu und stochert mit dem Spaten herum, »aber ich wollte ihr ein bisschen helfen, weil sie immer so nett zu mir ist und sich so viel Mühe mit mir gibt.«
    »Und was ist mit mir? Bin ich etwa nicht nett zu dir?«
    »Doch natürlich, du bist die beste Frau der Welt. Mathilde, das weißt du doch. Wie schön, dass du hergekommen bist.« Alfred versucht ein breites Grinsen. Sogar zwischen seinen Zähnen klebt Lehm. »Soll ich dir die ›Laufoase‹ zeigen?«
    »Lenk nicht ab. Bei uns im Haus ist alles kaputt, der Garten sieht aus wie ein Dschungel, das Auto ist dreckig, weil der Herr Rentner zu krank ist. Aber für andere kann er arbeiten.«
    »Tut mir leid, wirklich, du weißt doch, dass Dr. Trimborn mir das Laufen verordnet hat, wegen meiner Depressionen. Morgen, ich verspreche es dir, morgen arbeite ich nach dem Sport zuhause. Nur für dich. Bestimmt. Was soll ich zuerst machen? Sag es, und ich mache es.« Alfred lehnt sich an die Grubenwand und Mitleid suchend streicht er über ihre Schuhe.
    Sie tritt ihm auf die Finger. »Lass das! Morgen, morgen, morgen, das kenne ich. Nein, jetzt. Du kommst auf der Stelle da raus, auf der Stelle.« Sie weist mit dem Zeigefinger vor ihre Füße.
    »Aber, das geht nicht.« Alfred verlegt sich aufs Betteln.
    »Und ob das geht! Wir fahren nach Hause, und du reparierst als erstes die elende Treppenstufe, ehe ich mir noch den Hals breche, aber vielleicht willst du das ja auch.«
    »Morgen kommt doch der Beton«, sagt Alfred leise.
    »Wer?«, fährt sie ihn an.
    »Der Beton für das Fundament des Lehmstampfbeckens kommt morgen«, sagt er langsam und deutlich.
    »So so.« Sie rollt mit der Zunge im Mund hin und her, wie sie es tut, wenn sie nachdenkt. Ihre Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen. Sie zieht die Schultern hoch.
    Alfred wendet sich ab, bückt sich und rammt den Spaten in den harten Grund. »Ich beeile mich. Bin ja bald fertig. Nur noch eine kleine halbe Spatentiefe.« Er reißt den Stiel hoch und wirft den Lehm mit Schwung neben die Grube. Ein paar Brocken landen auf Mathildes rechtem Fuß.
    Sie reißt den Mund auf, aber es kommt kein Ton heraus. Sie bückt sich, greift nach dem Spaten und zieht. Alfreds Hände rutschen auf dem Stiel herab, bis sie an die scharfen Kanten des Blattes kommen. Als sie in seine Handballen schneiden, lässt er los. Er dreht die Handflächen nach außen und starrt darauf. Er blutet.
    »Sieh mal!«, seufzt er, streckt ihr die blutenden Hände entgegen und legt den Kopf schief.
    Ist es der Anblick des Blutes, ist es sein jammervolles Gesicht, ist es die Tatsache, dass er einen Meter unter ihr steht? Nie vorher war ihr seine entsetzliche Unterwürfigkeit bewusster geworden. Sie macht sie wahnsinnig, sie spürt, wie ihr der Puls hinter den Schläfen zu klopfen beginnt.
    Rasend vor Wut holt sie aus und lässt das flache Spatenblatt auf Alfreds Kopf krachen. Es federt nach, Alfred sackt in die Knie. Mathilde schlägt

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