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Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten

Titel: Die Eifel sehen und sterben - 23 kriminell kurze Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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»Laufoase« verrichtet insbesondere zur Freude der Kinder seine Dienste – rumpelt Inge Umbachs weißer Jeep über den Weg
Unterm Schlafberg
ins Naturschutzgebiet
Mürmes
. Um die Laufstrecke im Herbst von Laub und im Winter von Schnee und Eis zu befreien, hat sie eine Erlaubnis vom Förster bekommen. Am nächsten Tag soll ein Benefizlauf zugunsten eines Ruandaprojektes stattfinden.
    Am alten Wehr, das den Mürmesbach zur Torferhaltung staut, läuft ein Rinnsal quer über den Weg. Wenig Licht kommt an diese feuchte, dunkle Stelle, aber ein schmaler Sonnenstrahl fällt durch den Blätterwald auf einen weißen, gebogenen Stamm, der im rostigen Schütz-Schieber, der ewig lange nicht mehr geöffnet wurde, eingeklemmt ist.
    Inge Umbach hält an, steigt aus und klettert durch den Matsch. Nach ein paar Schritten glaubt sie, am Ende des Stammes eine Hand zu erkennen, zwischen den aufgequollenen weißen Fingern scheint schwarzer Torf zu kleben. Ungläubig nähert sie sich und blickt über den Schieber auf den Moorweiher, wo tatsächlich im Morast ein menschlicher Körper an der Oberfläche schwimmt. Mit dem Rücken nach oben.
    Mann oder Frau?
    Klarheit erhält Inge Umbach, als die Polizei mit einem Kranwagen die Leiche aus dem Moor heben lässt und auf dem Waldweg ablegt. Der aufgedunsene Körper ist entstellt, ein schwarzer Tüllschleier hat sich um die Hüften der Toten geschwungen.
    Der Benefizlauf findet trotzdem statt. Ruanda ist weit weg.
    Ganz allmählich kehrt wieder Ruhe in Ellscheid und Gillenfeld ein. Mathilde freut sich ihres Lebens und ist dankbar, dass die Gerechtigkeit endlich gesiegt hat. Alle haben bekommen, was sie verdient haben, Alfred und Sandra, und sie selbst ganz besonders. Sie genießt ihre Freiheit, und mit Alfreds beachtlicher Rente, die sie nun ganz für sich allein hat, plant sie die Weltreise, die sie schon immer machen wollte. Weihnachten auf Haiti, oder so. Aber wenn sie das Haus verlässt, trägt sie nachlässige Kleidung, beugt den Rücken und lässt die Mundwinkel hängen. Ihre traurigen Augen scheinen ruhelos nach Alfred zu suchen, als könne er jeden Augenblick hinter einer Häuserecke auftauchen.
    Das tut er nicht, denn das Schicksal hat Zeit, und es geht seinen eigenen Gang, Schritt für Schritt.
    Ende Oktober, da steht eines Tages Inge Umbach vor Mathildes Tür. Mathilde streckt nur den Kopf durch den Spalt, denn sie trägt gerade ihren neuen, hautengen, rosa Nicki-Hausanzug. Nachdem sie sich die freundlichen, einfühlsamen Worte des ungebetenen Besuches angehört hat, fragt sie ungeduldig: »Was wollen Sie denn eigentlich hier?«
    »Wollen Sie nicht mal mit uns laufen?«, fragt Inge Umbach aufmunternd. »Laufen ist gut für die Seele, besonders wenn die dunklen Tage kommen.«
    »Ich weiß nicht«, zögert Mathilde, die im Lebtag nicht laufen würde. Womöglich würde die Umbach sie auch noch überreden in dieses Lehmstampfbecken zu gehen und auf Alfred herumzutrampeln. »Vielleicht im nächsten Jahr.«
    »Ja, gerne, jederzeit, wann immer Sie möchten«, freut sich Inge Umbach. »Im Frühjahr ist auch das Lehmstampfbecken neu betoniert und der frische Lehm aufgefüllt. Das wird Ihnen gut tun, Sie werden sehen. Bis dahin, alles Gute für Sie.« Sie wendet sich ab, geht die Stufen hinunter und schiebt das Gartentor auf.
    Mathilde muss schlucken. »Neu betoniert, sagen Sie?«
    Inge Umbach dreht sich um. »Der Lehm muss natürlich regelmäßig ausgetauscht werden, der Hygiene und der Heilkraft wegen, verstehen Sie, und letztes Mal habe ich gesehen, dass es Risse im Beton gibt. Das ist ärgerlich.«
    Das kann man wohl sagen, denkt Mathilde.

Herzenswunsch
    Wenn in der Weihnachtszeit ein Kind entführt wird, ist das besonders tragisch. Vor allem für die Eltern, aber nicht nur. Auch wir im Vermisstendezernat stehen dann unter dem immensen Druck, das Kind entweder bis Heilig Abend wieder gesund und munter abzuliefern, oder, wenn das nicht möglich ist, den Eltern zumindest die traurige Nachricht vorzuenthalten, damit sie mit einer Spur von Hoffnung dieses Fest aller Feste verbringen können.
    Und wie ergeht es erst dem Kind, das eigentlich damit beschäftigt sein sollte, Türchen um Türchen in seinem Adventskalender zu öffnen, Geheimnisse zu wittern, Spuren des Christkindes zu verfolgen und vor Aufregung bebend kaum Schlaf zu finden? Es achtete sicher nicht darauf, nicht entführt zu werden. In dieser Zeit von den Eltern getrennt irgendwo womöglich gefesselt zu hungern, an Schlimmeres

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