Die Eifelgraefin
er hier tat, war falsch! Und es würde ihn ganz sicher mehr kosten als sein Seelenheil, wenn er es zu Ende führte. Ganz zu schweigen davon, was er ihr damit antat.
Als sich die Stimme nicht mehr ignorieren ließ, löste er widerwillig seine Lippen von ihrem Mund. Ein Blick in ihr Gesicht sagte ihm, dass sie ihre Bedenken längst über Bord geworfen hatte. Doch das war ein Grund mehr für ihn, die Sache hier und jetzt sofort zu beenden.
Er lockerte seinen Griff, mit dem er sie unbewusst noch immer fest an sich gepresst hielt, etwas. «Wir dürfen das nicht tun», sagte er leise, aber bestimmt. «Ihr würdet es bereuen.»
Sie sah ihn schweigend an. An seinem Tonfall merkte sie, dass er schwer mit sich kämpfte, und damit stieß er die Tür zu ihrem Herzen noch ein Stückchen weiter auf, obwohl sie im gleichen Moment wusste, dass es töricht war.
Er ließ sie ganz los und zog ihr sanft den Surcot wieder über die Schultern. «Gestattet mir das nicht noch einmal.» Er trat einen Schritt zurück. «Geht jetzt ins Haus, Elisabeth. Und nehmt die Außentür zur Treppe, sonst ist Euer Ruf im Handumdrehen dahin.»
Den letzten Worten hatte er einen barschen Klang gegeben,wohl um sie vor den Kopf zu stoßen. Und plötzlich spürte sie auch wieder den Wall, den er um sich aufzurichten pflegte und den sie nicht zu durchdringen vermochte. Ihr stiegen die Tränen in die Augen, doch sie ignorierte sie.
«Mistkerl», flüsterte sie und schaffte es nun endlich, die Nesteln an ihrem Kleid zu schließen.
«Ich weiß», antwortete er leise und war drauf und dran, erneut die Hände nach ihr auszustrecken. «Merkt es Euch.»
Sie ertrug seine plötzlich so kühle und abwehrende Haltung nicht länger, wandte sich wortlos ab und rannte zum Wohnhaus. Dort riss sie die Außentür zum Treppenhaus auf und warf sie hinter sich geräuschvoll wieder ins Schloss.
Johann setzte sich erschöpft auf die Steinbank am Rand des Kräutergartens. Er war froh, dass Elisabeth fort war, denn er hätte sich keinen Augenblick länger mehr beherrschen können. Warum hatte er es nur so weit kommen lassen? Zornig schlug er mit der Faust gegen die Rückenlehne der Bank. Dann beugte er sich nach vorne und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. Er würde sich – verdammt nochmal – nicht in Elisabeth von Küneburg verlieben. Die Liebe gehörte nicht zu seinem Leben. Nicht mehr. Und sie würde es auch nicht wieder, das hatte er bisher zu verhindern gewusst, und daran würde sich auch nichts ändern.
Martin hatte recht gehabt, als er sagte, Johann kehre die Scherben auf, die andere, allen voran sein Vater, hinterließen. Doch er wandelte schon zu lange über das Trümmerfeld seines eigenen Lebens und konnte noch mehr davon einfach nicht ertragen.
Müde stand er auf und ging langsam zum Palas zurück. Die Musik und das Lachen im Saal verrieten ihm, dass dasFest noch in vollem Gange war. Er nahm ebenfalls die Außentür, stieg die Stufen zu seiner Kammer empor und packte sein Bündel zusammen. An Schlaf war nicht zu denken, und so stand er stundenlang am Fenster und starrte auf die nächtliche Eifellandschaft.
Beim ersten Morgengrauen saß er bereits auf dem Rücken seines Falben und ritt zurück zur Mantenburg.
30. KAPITEL
Es war bereits weit nach Mitternacht, als die letzten Feiernden den Saal verließen und sich zu Bett begaben. Luzia stieg hinauf zur Schlafkammer und öffnete leise die Tür. Ihre Herrin schlief schon längst – sie hatte sich anscheinend schon sehr früh zurückgezogen. Luzia hatte hingegen bis zuletzt ausgeharrt und gehofft, noch einmal mit Roland sprechen zu können. Doch nachdem die Gaukler ihre Instrumente und Requisiten zurück auf den Karren geladen hatten, war er auf Geheiß seines Onkels mit den anderen sofort ins Gesindehaus gegangen.
Still ließ sich Luzia auf ihre Matratze sinken und starrte in die Dunkelheit. Nur ein einziger Tag blieb ihnen noch, dann würde Roland – wahrscheinlich für immer – aus ihrem Leben verschwinden. Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, und schon jetzt erfasste sie Sehnsucht. Immer wieder hatte sie sich überlegt, ob sie ihm nicht doch folgen sollte. Doch das hatte er ihr immer wieder ausgeredet. Sie habe Besseres verdient als ein Leben auf der Straße.
Traurig rieb sie sich die Augen. Noch nie in ihrem Leben war sie einem Mann begegnet, der so sanft und liebevoll war, der ihre Gedanken verstand, noch bevor sie sie aussprach. Und der so geduldig war. Nie hatte er sie zu mehr
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