Die Eifelgraefin
beantworten hatte, und griff nach der neuen Abgabeliste für die Pächter der Güter im Westerwald, als die Tür zur Schreibstube aufflog und mit einem Knall gegen das Regal an der Wand schlug. Mit wutverzerrtem Gesicht trat Notker über die Schwelle. «Was um alles in der Welt hast du mit den Maifeldern zu schaffen?», brüllte er Johann an.
Verblüfft hob Johann den Kopf. «Wieso mit den Maifeldern?»
«Tu nicht so ahnungslos!», polterte Notker weiter. «Ich will sofort wissen, weshalb du dich mit Einhard angelegt hast. Bist du von allen guten Geistern verlassen?»
Johann runzelte die Stirn; ihm schwante nichts Gutes. «Was ist mit Einhard von Maifeld?»
Notker stieß einen ungehaltenen Laut aus. «Was mit ihm ist? Das musst du doch besser wissen. Er beschuldigt dich, ihn auf Burg Kempenich ohne Grund tätlich angegriffen zu haben und ihn damit in seiner Ehre verletzt zu haben.»
«In seiner Ehre?», echote Johann ungläubig.
«Und darüber hinaus hättest du ihn bei der Anbahnung eines Heiratsgelöbnisses unterbrochen und ihm und der betreffenden Dame unabsehbaren Schaden zugefügt.» Zornig schleuderte Notker einen Brief auf das Pult. «Kannst du mir verraten, was in dich gefahren ist? Er hat uns eine verdammte Fehde angedroht, wenn du ihm nicht umgehend Wiedergutmachung anbietest.»
Johann nahm den Brief und überflog ihn kurz. Zwischen seinen Augen bildete sich eine steile Falte. «Gar nichts werde ich ihm anbieten.»
«Wir hatten NOCH NIE Streit mit den Maifeldern!»,brüllte Notker erneut los. «Ich will auf der Stelle wissen, was in Kempenich vorgefallen ist, und dann VERLANGE ich, dass du das wieder in Ordnung bringst!»
Johann stand auf und stützte sich auf dem Pult ab. «Was dort vorgefallen ist, kann ich dir sagen, Vater. Ich sah mich am Abend des Banketts leider gezwungen, Einhard von Maifeld eine Tracht Prügel zu verpassen.»
«Du dämlicher Ochse!»
«Und das war noch bei weitem zu wenig an Strafe für diesen Hundesohn. Ich kam nämlich gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern, dass er einer Edeljungfer Gewalt antat.»
Mitten im Anlauf zu einer weiteren Tirade hielt Notker inne und klappte den Mund wieder zu. Verblüfft und misstrauisch zugleich starrte er Johann an. «Du sagst, er wollte …»
«Das besagte Ehegelöbnis erzwingen, ja.»
Notker schwieg einen Moment, zog sich einen Schemel heran und setzte sich. «Bist du sicher? Vielleicht war sie ihm ja doch gewogen, und es sah nur so aus, als ob …»
«Sie hat sich verzweifelt gewehrt, Vater!» Nun war es an Johann, langsam zornig zu werden. Er erinnerte sich nur zu gut an Elisabeths Tränen und leider auch an alles, was danach geschehen war. Doch das tat jetzt nichts zur Sache. «Du kannst sicher sein, dass so kein trautes Stelldichein ausgesehen hätte.»
«So ein verdammter Schweinehund!» Notker fluchte leise vor sich hin. «Und ihr hattet keine Zeugen?»
«Nur die edle Jungfer.»
Missmutig nickte Notker vor sich hin. «Um derentwillendu natürlich kein Aufheben um die Sache gemacht hast. Edel gedacht, Johann, aber sehr dumm. Denn jetzt steht sein Wort gegen deines. Und da die Dame sich ganz sicher nicht dazu äußern wird …»
«Nein, Vater. Und wir werden Elisabeth da nicht hineinziehen.»
«Elisabeth?» Notker merkte auf. «Etwa Elisabeth von Küneburg? Ha!» Er lachte trocken. «Was für ein Witz. Hatte ich dir nicht auch schon einmal nahegelegt, dich um sie zu bemühen? Aber du wolltest ja nicht. Andere sind nicht so zimperlich, wie du siehst.» Seine Miene wurde wieder ernst. «Selbstverständlich kann auch ich eine versuchte Vergewaltigung nicht gutheißen. Es ist etwas anderes, eine Frau dazu zu bringen, dir freiwillig zwischen die Decken zu folgen. Aber ein Mann, der einer Frau Gewalt antut, gehört, verdammt nochmal, ZUM EUNUCHEN GEMACHT!» Notkers Stimme war wieder laut geworden. Aufgebracht stand er auf und lief in dem kleinen Schreibraum auf und ab. «Unter diesen Umständen gehen wir natürlich auf keine seiner Forderungen ein. Zieh ein paar Männer zusammen und reite mit dieser Nachricht zu ihm.»
Johann nickte. «Das kann ich gerne tun, doch eigentlich bin ich für morgen beim Amtmann Grosse gemeldet.»
«Lieber Himmel, dann schickst du ihm einen Boten, der dich entschuldigt!» Verärgert funkelte Notker ihn an. «Für Liebesgeflüster mit der Maria ist jetzt keine Zeit. Das kannst du auch noch später nachholen.»
***
Unter der Linde an der Bernharduskapelle saßen Elisabeth und Luzia still
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