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Die Einöder

Die Einöder

Titel: Die Einöder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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sich mühsam von seiner Traglast und drehte sich danach unter großen Schwierigkeiten in der engen Erdgrube um, damit er nach draußen spähen konnte. Einige Herzschläge später wurde ihm bewußt, daß das Maschinengewehrknattern verstummt war; dafür jedoch dröhnte das Rotorenpeitschen nun ohrenbetäubend laut.
    Der Flügler schien direkt über dem Findlingsfelsen zu schweben – aber seine Insassen, welche den Alten jetzt nicht mehr ausmachen konnten, waren offenbar verwirrt. Der Grauhaarige hörte, wie das wummernde Peitschen der Rotorblätter mehrmals hintereinander ein wenig ab- und unmittelbar darauf wieder anschwoll; anscheinend ließ der Pilot die Flugmaschine abwechselnd steigen und sinken, um einen besseren Blick in die Klamm zu gewinnen. Der Alte konnte nur hoffen, daß seine Verfolger nicht auf das Erdloch aufmerksam werden würden; etwa eine Minute kauerte er zitternd in der Grube – dann entfernte sich der Helikopter ein Stück, und plötzlich prasselte neuerlich eine Garbe glühender MG-Geschosse in die Schlucht.
    Der Grauhaarige begriff, daß er in der Falle saß. Sobald er aus seinem Versteck zu kriechen versuchte, würden die Feinde ihn erspähen und erschießen – und wenn seine Verfolger landeten und zu Fuß nach ihm forschten, mußten sie die Erdhöhle früher oder später entdecken. Würgende Furcht packte den Alten; sein Herz raste – gleich darauf trieb ihn sein Instinkt dazu, den Zugang zur Erdgrube zu verschließen.
    So schnell er konnte, verbaute er den Eingangsschlupf mit Steinbrocken und ausgetrockneten Lehmfladen, die er von den Wänden der Höhlung absprengte. Zuletzt war bloß noch ein handbreiter Spalt frei, durch den Luft in das Erdloch dringen konnte, und durch diesen Schlitz beobachtete der Grauhaarige nun voller Angst den Kluftabschnitt unterhalb des Findlingsfelsens.
    Zunächst geschah nichts weiter; einzig das Rotorenpeitschen, das jetzt allerdings sehr viel gedämpfter als zuvor klang, war zu vernehmen. Eine Weile hielt das Maschinengeräusch unverändert an; dann auf einmal entfernte es sich, wurde leiser und verstummte schließlich ganz. Eine bange Hoffnung keimte in dem Alten auf: Daß der Glotzäugige und der Schwarzuniformierte die Jagd nach ihm aufgegeben und den Rückflug ins Stadtzentrum angetreten hätten. Doch irgend etwas warnte den Grauhaarigen davor, sein Versteck zu verlassen; er blieb in der Erdhöhle – und das war richtig so, denn nach ungefähr zehn Minuten hörte er Schrittgeräusche und gewahrte unmittelbar darauf seine Verfolger.
    Zu Fuß kamen sie unter den mächtigen Gesteinsschroffen hervor, welche aus der Schluchtwand ragten; der Alte sah die Atemmasken über ihren Gesichtern, die metallenen Sauerstoffkartuschen, die sie auf dem Rücken trugen, und die Pistolen in ihren Händen. Abermals ergriff den Grauhaarigen panische Furcht; mit aller Kraft mußte er sich zwingen, seine kaum noch bezähmbare Angst nicht laut herauszuschreien. Am ganzen Körper bebend, mit weit aufgerissenen Augen, kauerte er in der Erdgrube und sah die Feinde näher und näher herankommen. Es schien ihm, als würden sie zielsicher auf den Findlingsfelsen zugehen; gleich mußten die beiden Männer den Spalt am Sockel des mannshohen Granitblocks bemerken – doch eben als sich der Alte in Todesfurcht ausmalte, was dann passieren würde, blieben der Glotzäugige und der Uniformierte stehen.
    Nur ein paar Schritte vor dem Felsklotz verharrten sie und beratschlagten kurz. Sodann verschwanden sie aus dem Gesichtsfeld des Grauhaarigen, kehrten aber schon sehr bald zurück. Offenbar hatten sie den Findlingsstein umrundet und den Kluftbereich direkt oberhalb des Felsens abgesucht. Nun berieten sie sich, wiederum bloß wenige Meter vom Erdloch entfernt, von neuem. Schließlich, nachdem er drei, vier Sekunden ratlos in die Richtung der Stein- und Lehmbarriere geblickt hatte, hinter der sich der Alte verbarg, stieß der Glotzäugige einen Fluch aus, sicherte seine Pistole und steckte sie weg. Unmittelbar darauf verließen die beiden Männer den Platz vor dem Granitklotz, um wieder zum Schluchteingang hinabzusteigen – und unendlich erleichtert durfte sich der Grauhaarige sagen, daß er jetzt wohl nichts mehr von ihnen zu befürchten hatte.
    Wenig später vernahm der Alte erneut das Rotorenpeitschen; angespannt horchte er, und nach einer Weile, als der Lärm nur noch gedämpft aus der Ferne zu hören war, konnte er endgültig aufatmen. Denn der Flügler war eindeutig nach Süden, dem

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