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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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einem Ozean wach wurde, um sie herum nur Schlafende waren, wohl auch der Pilot und seine Crew ihre Pause machten und Rebekka losgelöst von allem einen Blick aus dem Fenster warf. Auch dort nur Nacht und vielleicht Wasser ganz unten und keine Zeit und kein Ort. Bei einem Absturz würde sie den Moment ihres Todes allein erleben, losgelöst von allem. Doch um nichts in der Welt ertrug sie einen Mitreisenden, einen Begleiter. Nicht auf dem Flug. Nicht im Leben.
    Beunruhigt schaute sie auf ihr Handy, gefühlte 100 Mal pro Minute. Es war ihr unmöglich, Mark zu erreichen. War er nicht im Dienst, dann lag sein Handy mit ihrer Nummer darin in seinem verschlossenen Schreibtisch. War er im Dienst, hatte er es bei sich, jedoch ausgeschaltet. Marks Nummer zu haben, war für Rebekka nichts als eine Verheißung, die sich nicht erfüllte. Er musste sie anrufen. Schon allein, um sich Rebekkas Informationen zu Anneliese Otto zu holen.
    Die Frau vom Hilfswerk hatte Rebekka Visitenkarten, Flyer und einen Aufkleber mitgegeben. In einer Ausweishülle kombinierte sie das Ganze zur Mitgliedskarte einer Beauftragten vom Neuenhagener Hilfswerk . Seit ihrem Besuch dort machte sich ein unheimlicher Verdacht in ihr breit. Zum einen lähmte sie dieses Gefühl, weil sie den Gedanken nicht weiterspinnen wollte. Zum anderen konnte sie es nicht erwarten, der Sache nachzugehen: Wenn es sich bei den Verstorbenen nun um Menschen handelte, die niemand vermisste? Die für eine ganz bestimmte Drecksarbeit angeheuert und dann beseitigt worden waren?
    Rebekka setzte sich an den Laptop. Das lindgrüne Logo der Firma Recycling, Verschrottung & Co. baute sich auf der Website auf.
    Private Haushalte. Gewerbe. Papier. Chemikalien. Glas. Dachpappe. Datenträger. Behälterarten. Entleerungsturnus. Großveranstaltungen. Vorausdenken. Chemisch-physikalische Anlage. Trennstadt Berlin. Verantwortung. Als sie den Button Unternehmensführung anklickte, erschien ein Foto von Thorsten Milchmeyer. Geschäftsführer. Darunter zwei weitere Fotos, ein Mann, eine Frau, von den Leitern der Abteilungen Marketing und Dienstleistungen. Der Sitz war in Tempelhof. Rebekka gab die Adresse in den Onlinestadtplan ein und druckte das Blatt mit der Straßenkarte des Viertels aus. Sie nahm ihren Kalender und legte es hinein.
    Die Sekretärin stellte Rebekka sofort zu ihm durch. Ein Interview für den Straßenfeger zu geben, war offensichtlich keine seltsame Anfrage für Thorsten Milch­meyer. Er stimmte dem Termin zwei Tage später sofort zu und erinnerte sich auch höflich an Rebekka, als sie beiläufig erwähnte, sie seien sich bereits auf der Beerdigung von Karl-Heinz Otto begegnet. Nicht einmal den Hauch eines Zögerns vernahm sie von seiner Seite, sondern nur die Versicherung, er freue sich nun umso mehr auf ihren Termin.
    Es war Mittag, als Rebekka den kompletten Inhalt ihres Laptops speicherte. Dann stöpselte sie einen weiteren Stick ein, auf dem sie eine einzige Datei speicherte, und wickelte beide nach dem Speichervorgang erst dick in Haushaltsfolie und dann in Alufolie ein und legte sie auf dem Küchentisch bereit. Aus dem Kleiderschrank nahm sie Jeans und ein T-Shirt. Beim Ankleiden auf einem Bein balancierend, schaute sie aus den Fenstern, zuerst aus dem vorderen, das auf die Straße zeigte, durch das Küchenfenster, das auf den Feldweg zeigte, aus dem Fenster neben ihrem Bett, das auf den Acker zeigte und schließlich zur Tür, an der innen ihr Schlüsselbund steckte. Wie ein Derwisch drehte sie sich im Kreis, bis die Jeans endlich saß, hauteng und trotzdem bequem. Sie steckte beide Sticks in die Hosentasche.
    Es versprach, ein sonniger Tag zu werden, trotzdem griff Rebekka zur Strickjacke.
    Erwartungsgemäß machte sich Frau Faul auf den Weg zum Friedhof.
    Ein paar Minuten später schnallte Rebekka den Blumenstrauß auf den Gepäckträger ihres Fahrrads und schob es durch das Gartentor. Nach wenigen Tritten in die Pedale war sie voll in Fahrt und bog beschwingt in den Friedhof ein, wo sie beinah Frau Faul über den Haufen fuhr.
    Â»Junges Fräulein!«
    Rebekka lächelte, wenn sie so genannt wurde. Und hier draußen noch mehr, weil es nicht der Ton dieser Gegend war.
    Â»Entschuldigen Sie, Frau Faul. Ich habe Ihnen hoffentlich nicht wehgetan?«
    Â»Nein nein.« Frau Faul schüttelte den Kopf. »Nun bin ich wirklich wach für den Tag. Besuchen Sie hier

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