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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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Verleumdung anzeigen. Oder sollte ich sagen«, und nun wandte er sich Mark zu, und sein Blick wurde eindringlich, »diejenige?«
    Mark wurde nun doch etwas flau. Er hatte nichts als Rebekkas unbewiesene Vermutungen, die ihm nun vor die Füße geworfen wurden. Schlimmer aber noch war, dass Milchmeyer über ihn und Rebekka Bescheid zu wissen schien. Das war weder möglich noch war es logisch, es musste ein Bluff sein, doch eins hatte Milchmeyer geschafft: Mark war verunsichert und ließ vorerst seinen Kollegen weitermachen, während er sich über die Papiere beugte.
    Â»Damit können wir unser Gespräch tatsächlich abkürzen, denn nach jedem der hier aufgeführten Mitarbeiter hätten wir Sie nacheinander befragen müssen. Hiermit haben Sie uns ja schon eine Menge Arbeit abgenommen«, sagte Strobel und deutete anerkennend auf die soeben ausgedruckten Blätter.
    Milchmeyer ging nicht auf den freundlichen Ton von Strobel ein.
    Â»Es handelt sich tatsächlich um 19 Kollegen und Kolleginnen, die innerhalb von zwei Jahren hier verstorben sind. Und Sie können bei jedem Einzelnen, den es hier am Arbeitsplatz erwischt hat, erkennen, dass der Betreffende die Umstände selbst verschuldet hat. Ohne Sie wäre ich nicht einmal auf die Idee gekommen, eine so perverse Aufstellung zu machen.«
    Thorsten Milchmeyer hielt die Excel-Datei in seinem Computer tatsächlich für etwas Perverses. Das sah Mark ihm an. Und es interessierte Mark wie eine Wasserstandsmeldung der Spree. Rebekka hatte recht. Der Typ war nicht sauber. Auch wenn sie das nie so gesagt hatte. Tatsächlich hatte Rebekka kein bisschen abfällig von ihm gesprochen. Sie hatte ihn sogar als ansprechend, gut aussehend und tadellos im Umgang beschrieben. So war es also das, was Mark von vornherein störte und ihn nun noch etwas unprofessioneller ermitteln ließ.
    Â»Herr Milchmeyer«, Strobel erstarrte spürbar, doch diesmal ließ Mark sich nicht stören, »sechs der Leute waren um die 30 oder drunter, alle anderen weit unter Rentenalter. Von einigen tatsächlich natürlichen Todesursachen abgesehen, lese ich hier vor allem die Begriffe ›alkoholische Leberzirrhose‹, ›Herzinfarkt‹, ›Schlaganfall‹. Und das genau bei denen, die in der Metallaufbereitung beschäftigt waren. Wie können Sie mir erklären, dass ausgerechnet die Mitarbeiter dieser Abteilung hier ihr Ende fanden, und, was mir beinah noch wichtiger erscheint, wieso Sie dort Leute beschäftigten, die ganz offensichtlich gesundheitlich angeschlagen waren.«
    Milchmeyer ließ Mark nicht aus den Augen. Der Kampf war eröffnet. Mit der rechten Hand drückte er auf die Gegensprechanlage seines Telefons.
    Â»Verbinden Sie mich bitte mit Doktor Rosenbaum.«
    Â»Der ist im Urlaub, Herr Milchmeyer. In einer Woche ist er zurück, bis dahin …«
    Â»Bis dahin habe ich keine Zeit!«, fuhr Milchmeyer seine Sekretärin unwirsch an und zeigte damit zu Marks Erleichterung ein Bröckeln in seiner Fassade aus Pistazie und Beige. »Sie haben seine Handynummer. Rufen Sie ihn an, wo immer er auch gerade urlaubt, und bitten Sie ihn, mich sofort im Büro zurückzurufen.«
    Â»Mach ich.«
    Er nahm den Finger vom Knopf, ein Klicken unterbrach die Verbindung in sein Vorzimmer, wo nun eine Mittfünfzigerin, die die Hoffnung gehabt hatte, bis zur Rente hier auf einem gut gepolsterten Stuhl zu sitzen, Schweißflecken unter den Achselhöhlen entwickelte. Mark hatte schon beim Hereinkommen bemerkt, wie gespannt das Verhältnis Milchmeyers zu seiner Sekretärin war, und wurde den Eindruck nicht los, das habe etwas mit den Entwicklungen der vergangenen Wochen zu tun. Rebekka war hier gewesen, und nun er mit Strobel. Das alles konnte nicht spurlos an Milchmeyer vorübergehen.
    Strobel versuchte, den Faden wieder aufzunehmen, während Milchmeyer die Arme vor der Brust verschränkte und bis zum Anruf eines Doktor Rosenbaum offenbar überhaupt nichts mehr sagen wollte.
    Â»War es nicht ein Risiko, Menschen mit sichtbaren gesundheitlichen Schäden in einer Abteilung arbeiten zu lassen, die ein so großes Gefahrenpotenzial in sich trägt? Es bestand doch akute Verletzungsgefahr durch Feuer, Chemikalien, Werkzeuge …«
    Â»Ab wann sollte ich einen Anwalt hinzuziehen?«
    Mark reagierte überrascht. »War das nicht Ihr Anwalt, nach dem Sie gerade

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