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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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das dunkle Gewölbe ihrer Gedanken hinabzusteigen.
    Â»Meinem …«, sie schaute zu ihren Geschwistern, » unserem Bruder geht es unverändert.« Rebekka schaute sie aufmerksam an, obwohl Ulrike lange nichts sagte.
    Â»Unser viertes Blatt am Klee hat noch immer einen im Tee«, fuhr sie desillusioniert fort.
    Â»Ach«, schaltete Nils sich ein, »das scheint dich ja zu amüsieren!«
    Ulrike reagierte nicht. Nils bedeutete Rebekka mit einem Blick, sich nicht weiter nach Jörn zu erkundigen. Mit einem Mal schien sich der Raum um Ulrike zu verdichten. Sie wandte sich ab, rauchte und schwieg.
    Â»Rotkäppchen? Trocken?«, fragte Ingrid fröhlich in die angespannte Stimmung hinein. Der Korken landete in der Baumkrone über ihren Köpfen. Aus dem Kofferradio dudelte Jazz.
    Â»Das arme Rotkäppchen. Trocken isses auch n…«
    Â»Erik!«, wies Ingrid ihren Mann zurecht.
    Rebekka griff sich vier gefüllte Plastikkelche und ging zum Pilzkopftrio.
    Â»Schöne Frau«, säuselte Achim, »wir haben uns seit der Brecht-Keller-Party nicht mehr gesehen. Wie geht es dir?«
    Ingrid hatte Achims Frage aufgeschnappt und lauschte gespannt.
    Â»Nun? Magst du irgendeinem von uns endlich die uns alle interessierende Frage beantworten?«
    Â»Ich scheine euch ja tatsächlich gefehlt zu haben.«
    Rebekka schaute in die Runde. Der Sekt und seine Wirkung zu freitagnachmittäglicher Stunde holte sie endgültig in ihre kleine, familienlose Welt voller neugieriger Freunde zurück.
    Nils schüttelte den Kopf. Er war noch immer sauer wegen Ulrikes flapsiger Bemerkung zum Seelenzustand ihres Bruders Jörn.
    Â»Das weniger. Ich wundere mich nur, von meiner Kindergartenfreundin nix mehr zu hören, wo doch ein modernes Mädchen mit Computer und Handy umzugehen weiß.«
    Auf Trauerfeiern und Picknicks aufzutauchen und sich in familiäre Missstände reinzuhängen, war nicht, was Nils durchgehen ließ. Er erntete den üblichen bösen Seitenblick von Ulrike.
    Gelassen griff Rebekka zur Sektflasche und schenkte Nils zuerst nach.
    Â»Manchmal verliere ich die Dinge aus dem Blick. Dann schäme ich mich und melde mich nicht mehr. Auch mein Besuch heute war für mich eine Überwindung, bin aber sehr froh, mich dazu durchgerungen zu haben.«
    Sie lächelte Nils ganz offen an.
    Â»Und, was hast du so Wichtiges zu tun gehabt?«, fragte er gereizt.
    Â»Ich habe mich um mein Geschäft in Brandenburg gekümmert.«
    Ulrike horchte auf.
    Â»Und wie läuft es?«
    Â»Nicht gut«, sagte Rebekka lächelnd.
    Ulrike war aufmerksam, hörte zu, merkte sich Dinge, die man ihr erzählte. Das gefiel Rebekka. Und die junge Frau hatte sich gemerkt, mit welcher Leidenschaft Rebekka von ihrem kleinen Partyservice erzählt hatte.
    Â»Ich konnte den Laden retten. Von meinen vier Angestellten allerdings leider nur eine.«
    Â»Und die anderen drei machen nun ihre eigene Party?«, warf Nils zynisch ein.
    Â»Hör auf!«, wies Ulrike ihren ewig stichelnden Bruder zurecht und steckte sich erneut eine von den ergatterten Marlboro s an.
    Â»Und du solltest aufhören mit dieser Scheiße!«
    Nils versuchte, seiner Schwester die Zigarette aus der Hand zu schlagen.
    Â»Bist dem Tod grad von der Schippe gesprungen und turnst nun schon wieder drauf rum!«
    Rebekka schaute Ulrike fragend an. Ulrike verdrehte nur die Augen und machte eine herablassende Kopfbewegung hin zu ihrem Bruder. »Was hast du eigentlich studiert?«, lenkte sie etwas unbeholfen ab.
    Sie waren wieder in der Kennenlernphase. Rebekka wunderte sich nur, dass Ulrike nicht fragte, ob , sondern was sie studiert hatte.
    Â»Ich habe nicht studiert, sondern in der Gastronomie gelernt.«
    Ihre Kneipenlaufbahn hatte Rebekka so gut auswendig gelernt, dass sie schon selbst daran glaubte.
    Â»Dabei wäre Journalismus mein Traum gewesen, doch dafür gab es in meiner Familie zu viele Verwandte im Westen. Journalismus hieß, Bekenntnis zum Staat, aber – das wisst ihr alles selbst. Habt ja Ähnliches erlebt.«
    Â»Was hast du denn erlebt?«, fragte Nils mit geheucheltem Interesse. »Kommt jetzt eine Geschichte aus dem politischen Knast?«
    Der große, allwissende Nils braucht also noch immer jemanden um sich, den er klein halten oder klein machen kann .
    Rebekka spürte sie wieder, die Spannung, die sich seit dem Gespräch mit Ulrike im Hackendahl in ihr

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