Die Einsamkeit des Chamäleons
erzählt. Sie vertraut keinem. Sie baut auf mich.
Rebekka sprach besonders langsam und suchte dabei den Blickkontakt zu jedem Einzelnen.
»Es war höchste Eisenbahn, mich endlich selbst um meinen Brandenburger Partyservice zu kümmern. Es gibt da drauÃen eine Pferderennbahn, die ein ziemlich abgehalftertes Ãberbleibsel aus der DDR war. Und ein kluger Investor hat sich diese unter den Nagel gerissen.«
Ein paar Meter weiter spielten ein paar Jungs und Mädchen FuÃball. Schrille Rufe nach mehr Einsatz und Toren waren zu hören. Der Duft von Gegrilltem lag in der Luft.
»In einer Gegend, die normalerweise wenig Grund zum Partymachen hat, werden plötzlich wieder neue Häuser gebaut und alte saniert. Familien aus allen Ecken von Berlin ziehen dahin. Meine Mädels im Partyservice haben sich völlig verzettelt und alles angenommen, was an Anfragen kam. Haben sich kein bisschen um das Material gekümmert, sprich, nicht früh genug beim Schlachter geordert und später die Preise vom Fleischer gezahlt. Und so wurde die Gewinnspanne kleiner. Und der Laden auch.«
»Aber du warst doch immer dabei! Wie konnte dir denn das passieren?«
Ulrike suchte nach einer logischen Erklärung, als fühlte sie sich persönlich getroffen vom Eigensinn ihrer Freundin, sich einfach wegzustehlen. Und das war sie wohl auch, vermutete Rebekka und wandte sich ihr zu.
»WeiÃt du, ich war unglaublich viel im Land unterwegs. Als es letztes Jahr beinah zu gut lief, eröffnete ich noch zwei weitere Ladengeschäfte, beide kurz vor der polnischen Grenze. Unter der Woche blieb ich dort, am Wochenende schaute ich hier nach dem Rechten. Papierkram, ein paar Fördergelder, gefühlt tausend Anträge für irgendwas. Und das, solange noch alles gut lief.«
Sie trank ihr Glas leer.
»Und nun stell dir vor, was alles zu tun war, als es dann schlecht lief und ich die beiden neuen Geschäfte wieder schlieÃen musste.«
Ulrike hing an ihren Lippen. »Nun bist du ja da!«, sagte sie erleichtert und schenkte Rebekka nach.
Achim musterte ihre Bomberjacke und die fest geschnürten Springerstiefel.
»Und das da ist noch dein Brandenburg-Outfit?«
»Hoch leben die Vorurteile!« Rebekka lächelte. »Nein, das Outfit ist Absicht.«
»Wie meinst du das?«
»Mein verlogener Fahrradhändler hält mich so für eine von den Seinen.«
Achim lachte laut auf.
Plötzlich brachen Sonnenstrahlen durch die dichte Baumkrone, unter der sie saÃen.
Ingrid rückte an Rebekka heran.
»Ich kann dir gerne etwas unter die Arme greifen mit deinem Partyservice. Zumindest online. Ich hänge sowieso nur zu Hause rum.«
Rebekka horchte auf.
Ingrid redete ganz ungeniert weiter.
»Lass mich dir eine schöne Website gestalten. Vielleicht können wir mal rüber nach Brandenburg fahren, wo war das noch mal?«
»In diesem Nest bei Hoppegarten«, sagte Rebekka vorsichtig und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr, liebevoll beobachtet von Achim.
»Dann lass uns in dieses Nest bei Hoppegarten fahren, alles fotografieren und als schöne kleine Präsi ins Netz stellen.«
Rebekka lächelte.
»Gute Idee. Ich habe alles neu dekoriert. Die Auslagen sind viel übersichtlicher, die Schaufenster nun auch als solche zu erkennen, drinnen eine kleine orientalische Sitzecke, sehr plüschig, mit einer Wasserpfeife, hinten raus gehtâs in einen kleinen Garten mit Holzbank und Windspielen in den zwei Kirschbäumen. Und Ella â meine letzte verbliebene Mitarbeiterin und Statthalterin â sieht aus wie Mary Poppins. Das gibt eine tolle Homestory .«
»Du sagst es!«
Ingrid hatte ihr die ganze Zeit mit offenem Mund gelauscht, als habe ihr Rebekka aus eben dem ein Wort nach dem anderen herausgefischt.
»Wann fahren wir?«
»Gar nicht.«
Das Lächeln auf Ingrids mit 38 Jahren immer noch mädchenhaftem Gesicht erstarb, doch Rebekka redete ungerührt weiter: »Ich habe jetzt hier in Berlin zu tun. Aber ich lasse es dich wissen, wenn ich deine Hilfe brauche.«
Rebekka fühlte sich schlecht. Ein so naives, ehrliches Lächeln war zu selten, um es zu zerstören. Aber es half nichts. Die Auslagen, das Schaufenster und den Garten mit der Holzbank sowie auch Mary-Poppins-Ella in dem kleinen Nest bei Hoppegarten zu erfinden, war als Lüge Teil ihrer Arbeit. Aber dass sie in Berlin zu tun hatte, war
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