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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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war sie wieder da, jene Atmosphäre aus aufgeladener Luft, der maximalen Spannung, die überhaupt zwischen zwei Menschen entstehen konnte. Er musste ihr nur den Mantel abnehmen, ihren Nacken berühren, den Rest machten ihre Gedanken, die sich im selben Moment losrissen und im freien Galopp über ein weites Feld dahinrasten. Jetzt schaute er sie an, legte seine Hände an ihren Kopf, seine Lippen nur einen Hauch entfernt von ihren. Sie konnte ihn riechen und schon fast wieder schmecken, als sei kein Tag, keine Stunde vergangen. Diesen Moment liebte sie am meisten, jenen Moment vor dem Kuss. Wenn beide auf das nie vereinbarte Zeichen warteten, das dann immer kam. Der Kuss war ein einziger und dauerte Stunden. Sie streifte ihre Schuhe ab, während er sie zum Bett trug. Er küsste sie, während er sie auszog. Sie schob seinen Pullover nach oben, über seine Schultern und den Kopf. Er küsste sie, während er sich zwischen ihre Beine drängte. Ihre Hände suchten Halt an den Bettpfosten. Er biss in ihre Lippen, während er ungestüm in sie eindrang. Ihre Hände umklammerten nun alles, was sie greifen konnten. Sein Kuss erstickte den Schrei, der aus ihr herauswollte. Er nahm sich, was er von ihr kriegen konnte und noch mehr. Er kam heim zu ihr, tobte sich aus in ihr, rächte ihre nicht vorhandene Chance miteinander. Und liebte sie mit jeder Faser seines Körpers. Sie verlor sich völlig in ihm. Spürte ihren Höhepunkt kommen, als er plötzlich innehielt. Ihr Gesicht fest in seinen Händen, küsste er ihr die Tränen von der Wange. Rieb sich an ihren Lippen. War tief in ihr. Bewegte sich nicht. Sie wurde unruhig, fast wahnsinnig. Schlang Arme und Beine um ihn. Wollte ihn nie wieder loslassen. Nie wieder. All die konturlosen Begriffe: Liebe machen . Sie machten keine Liebe. Sie hatten sie schon. Miteinander schlafen . Sie schliefen nicht miteinander. Zum Schlafen blieb keine Zeit. Sich lieben traf es vollkommen. Denn sie liebten sich wirklich.
    Er drang ein letztes Mal tief in sie ein. Seine Lippen fest auf ihren. Sie schnappte nach Luft, flehte ihn an, nicht aufzuhören und wurde im selben Moment mitgerissen. Sie waren eins und blieben es für eine gefühlte Ewigkeit.
    Sie hatte es gern, wenn sie sich am Tag trafen statt in der Nacht. Rebekka kannte das Gefühl, sich verloren zu fühlen nach einer schönen Nacht: das Gefühl, danach umso tiefer zu fallen und ins Bodenlose zu stürzen. Sie hatte diesen Film gesehen, der ein Verhältnis zweier sich völlig Fremder sezierte. In dem es hieß, dass sie sich fremd bleiben mussten, damit es funktionierte. Denn wenn man sich einmal offenbart hatte, dann musste man sich trennen. Man konnte nicht mehr im Heute bleiben. Hatte man sich seine Liebe gestanden, wie man ein Verbrechen gestand, dann musste das letzte Mal folgen, und es musste sein wie ein letzter gemeinsamer Gang, ein letztes gemeinsames Bad, die letzte gemeinsame Ölung, ein bleibendes, nie zu wiederholendes Ritual.
    Sie lagen nackt auf dem Bett, den Blick zur Decke, Mark rauchte eine Zigarette, den Kopf auf Rebekkas Oberschenkel gebettet.
    Â»Du bist darauf gestoßen, und die Serie der Todesfälle in der Recyclingfirma hörte auf.«
    Â»Will heißen?«
    Mark lachte.
    Â»Dass du, mein Rotlöckchen, wahrscheinlich die Täterin warst und uns alle testen wolltest.«
    Â»Dann habt ihr schändlich versagt und den Test nicht bestanden!«
    Die Pinnwand mit den verbliebenen 13 Karteikarten hatte sie hinter einem Vorhang versteckt. Unter den Namen standen Notizen, die Rebekka vorerst für sich behalten wollte. Ihr Instinkt hatte sie nicht getäuscht, nur weil es noch kein weiteres Opfer gegeben hatte, war Marks Interesse an der Sache erloschen.
    Sie nahm Mark die Zigarette aus der Hand und zog einmal daran. Als sie ihm die Zigarette zurückgab, nahm er sie zwischen die Finger und schaute sie an wie ein filigranes Kunstwerk. »Nun habe ich sogar deine DNA.«
    Rebekka strich ihm über den Kopf.
    Â»Ach Schätzchen, dein ganzer Körper ist nichts als eine einzige DNA-Probe von mir.«
    Mark drehte sich um und küsste Rebekka auf den Mund.
    Â»Und noch eine. Danke!«
    Er stand auf und schob die Wand zur Badewanne auf, die mitten im Zimmer stand.
    Mit geschlossenen Augen vernahm sie kurz darauf das beruhigende Rauschen des Wassers. Und das Klingeln seines Handys. Rebekka schaute aufs Display. Julia. Vorsichtig

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