Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten
einen Kuss gab und ihm sagte: »Nimm’s, Hassan! Ich bin ja ein Mädchen und spiele nicht gern mit Gewehren und Pistolen.« Da dankte er ihr und rannte davon, hinaus auf die Strasse, um vor den Kindern damit anzugeben, die ihn alle inständig baten, sie doch ein wenig damit spielen oder es wenigstens anfassen zu lassen. Doch er weigerte sich und schaute verächtlich auf all ihre mickrigen Gewehre und Pistolen, die aus alten Holzstücken und Wäscheklammern zusammengebastelt waren. Auch über ihre Munition machte er sich lustig, die aus nichts anderem bestand als aus Dattelkernen, die sie von der Strasse auflasen.
Faus’ Vater dachte, ganz im Gegensatz zu seinem Sohn, an nichts Gegenständliches. Er wünschte sich einzig etwas Geld, allermindestens drei Pfund, um sich selbst und seinen Haushalt bis Monatsende in Gang zu halten, und in ihm gedieh eine Überzeugung von der Gerechtigkeit seiner Logik, je mehr es auf fünf Uhr zuging, besonders da seine Begeisterung für diesen Anlass schon etwas erloschen war, dies vielleicht wegen des Huhns, von dem er etwas zuviel vertilgt hatte, vielleicht auch, weil er leichtsinnig genug gewesen war, während des Tages Geld für unnötige Dinge auszugeben. Den Friseurbesuch, den er hätte hinausschieben können, Faus’ neue Schuhe, ausserdem das Blech mit Basbûsa, auf die man auch hätte verzichten und sich nach dem Mittagessen mit Tee als Nachtisch begnügen können.
Zu jener Zeit badete Faus’ Mutter gerade, als Krönung ihrer harten Arbeit während des Tages. Und während sie sich die Waden abtrocknete, an denen als Folge ihres vielen Stehens und ihrer schweren Arbeit die Krampfadern sichtbar wurden, und dabei mit rauher Stimme »Er brachte mir die Holzpantinen im Personenzug« sang, wiederholte sie sich von Zeit zu Zeit zungenschnalzend: »Ach, wenn Fausîjas Preis doch nur aus etwas Nützlichem für den Haushalt bestünde!« Dieses Nützliche für den Haushalt könnte vielerlei sein, angefangen mit einer Wolldecke, die ihre Knochen im Winter warm hielte, bis hin zu einer schönen Ledermappe für Faus statt diesem Leinenbeutel, den sie sich jeden Morgen, wenn sie zur Schule ging, über die Schulter hängte.
Faus selbst dachte eigentlich nicht viel über das Geschenk nach. Sie war beschäftigt und glücklich über all die Vorbereitungen, die ihr galten. Ihre Begeisterung und ihre Erregung über diesen Anlass hatten ein solches Ausmass erreicht, dass ihre Wangen zum erstenmal in der Geschichte ihres Lebens Farbe bekommen hatten. Sonst war sie immer bleich und schwächlich, vielleicht ja wegen ihres Frühstücks, das üblicherweise nur aus einem Stück in Tee getunktem Brot bestand, oder weil sie nur sehr selten Fleisch oder Früchte ass. Jedenfalls kannte sie – wie alle anderen – rotwangige Personen nur aus der Werbung oder aus Illustrierten.
Gegen fünf Uhr setzte sich die Prozession aus Faus’ Familie in Bewegung. Auch Chadîga, die Nachbarstochter, war dabei. Sie durfte noch auf dieselbe Einladungskarte mitgehen, die fünf Personen zuliess; sonst hätten sie nämlich ihre Nachbarn und Freunde mitgenommen, die allesamt wussten, dass Faus einen Schulpreis erhielt, und jetzt an den Fenstern und Türen standen und voller Bewunderung herüberschauten, während Faus’ Mutter gemessen an der Seite ihresMannes ging, der seinerseits mit stolzgeschwellter Brust dahinschritt, er mit seinem Hitlerschnurrbart, den er noch immer trug, vielleicht als lebendigen Zeugen für die Greueltaten des Zweiten Weltkrieges, an dem er nur insofern teilgenommen hatte, als er sich bei Luftangriffen zusammen mit den Nachbarn ins Treppenhaus flüchtete. Faus strahlte wirklich in ihrem blauen Taftkleid, dessen Stoff seinen Glanz bewahrt hatte, obwohl es ursprünglich einmal ein Kleid ihrer Mutter gewesen war, in das diese dann aber nicht mehr hineinpasste, nachdem sie, durch Schwangerschaft und Geburt, dick und schwer geworden war. Man könnte sagen, dass Faus sich zum erstenmal in ihrem Leben erwachsen vorkam und das Gefühl hatte, sie müsse jetzt vernünftig und anständig sein und mit gedämpfter Stimme reden, wie es ihre Mutter immer von ihr verlangte, und dürfe sich nicht mehr am Hüpfspiel in der Gasse beteiligen.
Dieses Gefühl hatte sich in ihr breitgemacht, nachdem sie sich im Spiegel betrachtet und davon überzeugt hatte, wie attraktiv sie war mit ihrem wohlgeordneten Haar und ihren gepflegten Augenbrauen. Doch da gab es etwas, das sie störte: diese zu grossen neuen Schuhe, die
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