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Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Titel: Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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seinen Preis zu übergeben.
    Danach verging eine bedrückend lange Weile. Zu schildern, was während dieser Zeit geschah, ist nicht nötig. Nur dass alle die Schule verliessen und dann Faus’ Vater mit schweren Schritten die Strasse entlangging und darüber nachdachte, dass er ein neues Medikament gegen seine Magenschmerzen kaufen müsste, da das alte aufgebraucht war; auch darüber, dass er das Bedürfnis spürte, in der kommenden Nacht mit seiner Frau zu schlafen, selbst wenn sie ihre Tage haben sollte, da ihm nämlich das Bild der Frau im roten Kleid mit den Punkten, die mit übereinandergeschlagenen Beinen ganz in der Nähe gesessen hatte und dabei ihre weissenKnie sehen liess, nicht aus dem Kopf ging. Er begann, seine Frau, die sich an ihm festhielt, um nicht zu stürzen, zumal ihre Absätze ihr Gleichgewicht beeinträchtigten, am Arm zu streicheln. Hinter ihnen marschierte laut heulend Faus’ Bruder und verlangte, getragen zu werden, weil er müde sei. Gleichzeitig schimpfte er auf Chadîga und beschuldigte sie, ihn auf den Fuss getreten zu haben. Faus selbst starrte unbeteiligt vor sich hin und überlegte, ob sie es wagen sollte, ihre Mutter zu bitten, Helva zum Abendessen zu kaufen. Sie trug ein kleines Koranexemplar, auf dessen Innenseite geschrieben stand: »Der fleissigen Schülerin Fausîja Muhammad Farîd aus Anlass ihrer hervorragenden Leistungen bei der Jahresabschlussprüfung.« Darunter der Stempel mit dem Wappen der Republik, dann der Name der verdienstvollen Pädagogin, der Direktorin der Schule, samt ihrer Unterschrift.

Alle Vögel fliegen hoch …
    Das Unternehmen wurde präzise und plangemäss durchgeführt. Der erste, derjenige mit der tiefen Narbe an seinem gedrungenen Hals, fuhr, schon am Busbahnhof eingestiegen, von Anfang an mit. Nachdem der Bus das Hauptgeschäftsviertel mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte durchquert hatte – behindert vom Gedränge aus Autos und Menschen und jenen »Marktinnereien«, die sich als Waren und Güter auf die Trottoirs der Strassen und Gassen ergossen –, sprang dann der zweite auf, kaum dass der Bus seine Fahrt bei der ersten Haltestelle in der Altstadt etwas verlangsamte, jener Altstadt, deren Gebäude sich gen Himmel den Rang abliefen und deren schöne Gärten verschwunden waren, die noch bis in jüngste Zeit so oft ruhig dahinschlummerten. Der dritte schliesslich, derjenige mit den unruhigen Blicken und den schnellen, hastigen Bewegungen, die sein hagerer, nerviger Körper noch förderte, hatte sich an die Stange der hinteren Bustür geklammert, als der Bus von der Haltestelle beim öffentlichen Park losfuhr, der jenes Viertel von den sich daran anschliessenden trennte, deren Identität durch eine Strassenbeleuchtung erhellt wurde, die mitunter spärlich war, mitunter ganz fehlte, ebenso durch kaputte Trottoirs und durch die zahlreichen Schlaglöcher auf der Fahrbahn, denen die Körper der Fahrgäste folgten – auf und ab, nach rechts und nach links –, je nachdem, ob der Bus durch sie hindurchfuhr oder der Fahrer versuchte, ihnen auszuweichen.
    Kaum hatte sich der dritte im Bus eingefunden und sich von der Anwesenheit seiner beiden Kollegen überzeugt – des ersteren, der sich nach vorn durchgeschoben hatte und jetzt direkt hinter dem Fahrer stand, und des letzteren, der auf dem hintersten Sitz lauerte –, als er auch schon mit erhobener Hand das Startzeichen gab. Dann drängelte er sich zwischen den stehenden Fahrgästen hindurch, um ganz nach vorn zu kommen, während gleichzeitig der erste und der zweite je eines jener Messer hervorzogen, die als »Gazellenhorn« bekannt sind, und es dem Fahrer und dem Kontrolleur an den Nacken hielten. Er, der dritte, hatte inzwischen schon mit geübter rascher Bewegung seinen Revolver gezogen und richtete ihn auf die Sitzenden und die Stehenden.
    »Ihr da! Alle Hände hoch! Und keine Bewegung, sonst knallt’s …!« schrie er.
    Zwischen Schock und Unglauben hin- und hergerissen, zögerten die Fahrgäste einige Augenblicke, bevor sie ihre Hände hoben. Dieselbe Bewegung führte auch der Kontrolleur aus, und zwar trotz der brennenden Belmont-Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger, die ihm sein Freund, der Mottenkugelverkäufer, geschenkt hatte, bevor er nach Ausrufung seiner Waren vom Bus gesprungen war.
    Der Fahrer blieb die einzige Person, deren Hände sich nicht nach oben bewegten, sondern weiterhin, entsprechend den Weisungen des revolvertragenden Bosses, das Lenkrad festhielten. Doch er

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