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Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Titel: Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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verlangsamte – ebenfalls entsprechend diesen Weisungen – die Geschwindigkeit des Fahrzeugs stark, was ihn aber nicht daran hinderte, sich bedrückt darüber Gedanken zu machen, dass er wegen dieser gerade begonnenen Aktion ganz sicher nicht rasch nach Hause käme,um seinen Körper wie einen Sack Salz aufs Bett plumpsen zu lassen und erst einmal richtig zu schlafen und sich von der Plackerei des Tages auszuruhen. Auch daran dachte er, dass die Fahrgäste von ihm verlangen würden, nach der Flucht der Gangster den Kurs zu ändern und die nächste Polizeistation anzusteuern, damit dort ein Bericht über den Vorfall angefertigt würde. Er schnaubte vor Wut und hatte einen neuen Grund gefunden, den er den zahlreichen anderen beigesellte, den schwarzen Tag zu verfluchen, an dem er bei den öffentlichen Transportunternehmen als Fahrer eingestellt worden war, deren Kunden sich jetzt im Bus befanden, fünfunddreissig an der Zahl, von denen mindestens sechs nach zwei oder drei Stationen in tiefen Schlaf versunken waren; sie gehörten höchstwahrscheinlich zu jenen, die in jenem Viertel wohnten, wo die Buslinie endete.
    Diese Schläfer spürten zunächst nicht, was um sie herum vor sich ging, und waren so für einige Minuten der Anstrengung entbunden, die Hände zu heben – bis der Revolverträger sie nochmals anschrie, so dass sie auffuhren und, kaum dass sie den Revolver erblickten, es den anderen Fahrgästen gleichtaten und erschreckt die Hände hoben. Da glaubte der einzige kleine Junge unter allen Fahrgästen – er thronte auf dem Schoss seiner Mutter –, alle Leute machten mit beim Alle-Vögel-fliegen-hoch-Spiel. Er lächelte und hob auch selbst eifrig seine Händchen. Als aber das Warten mit erhobenen Händen kein Ende nahm und seine Mutter nicht wie üblich, wenn sie mit ihm dieses Spiel spielte, »Runter mit den Vögelchen!« sagte, während sie ihre Hände wieder in den Schoss legte, wurde es dem Kleinen unheimlich, und er begann zu weinen. Aber die Blicke des Revolverträgers brachtenihn zum Schweigen, und er begrub seinen Kopf an der Brust seiner Mutter, die nervös und besorgt war – nicht wegen dem Pfund und dem Schilling, die sie sich, eingewickelt in ein Stück Stoff, oben ins Kleid geschoben hatte, nahm sie doch nicht an, die Räuber könnten so schamlos und so dreist sein, mit ihren Händen nach den Verstecken an ihrer Brust zu greifen. Besorgt war sie vielmehr, weil sie befürchtete, sie könnten sich der Gans in dem Korb unter ihrem Sitz bemächtigen, zumal diese Gans den Kopf hervorstreckte und ihn von Zeit zu Zeit bewegte. Aber die Diebe dachten während dieser Augenblicke anders über die Gans als sie und interessierten sich nicht dafür, dass sie sie genudelt und mühevoll aufgezogen hatte, um sie ihrer neuverheirateten Tochter mitzubringen, seit deren Hochzeit noch keine sieben Tage vergangen waren. Jetzt im Bus war sie auf dem Weg zu ihr, um bei ihr zu übernachten und am nächsten Morgen, zur Feier der vollendeten sieben Tage, die Gans zu schlachten.
    Die Räuber waren jetzt völlig damit beschäftigt, in aller Eile die Barschaft der Fahrgäste einzusammeln. Zu diesem Zweck hatte sich derjenige, der hinten gelauert hatte, nach vorn gedrängt und forderte nun die Fahrgäste einzeln auf, das Geld, das sie bei sich hatten, herauszurücken und, sofern sie eine trugen, ihm auch ihre Armbanduhr auszuhändigen, ebenso jede Art von Goldschmuck wie Ringe, sei es am Finger oder am Ohr, was den einzigen Bauern im Bus tatsächlich einzigartig machte, denn er trug, zusätzlich zu den neunzehn Pfund und dreissig Groschen in seiner Tasche, eine Goldkrone auf einem Backenzahn rechts oben, was ihn veranlasste, seinen Mund fest zu schliessen und seelenruhig alles, wirklich alles, was er in der Tasche hatte, herauszugeben,ohne seine Lippen auch nur zum geringsten Protestgeflüster zu öffnen.
    Dies ganz im Gegensatz zu dem jungen Rekruten neben ihm, der fassungslos seinen Mund aufsperrte und es nicht glauben konnte, dass er in einem Bus sass, der ihn zu seiner Einheit bringen sollte – genauer: zum nächstmöglichen Punkt, am Ende der Buslinie, von wo aus er noch etwa drei Kilometer in die Wüste zu marschieren hatte, um ins Militärlager zu gelangen. Ihm erschien, was sich da vor ihm abspielte, wie Szenen aus einem amerikanischen Gangsterfilm. Zwar bestand sein gesamter Tascheninhalt aus nicht mehr als fünfundzwanzig Groschen – sollten die Diebe die doch nehmen, zur Hölle mit ihnen, dachte er.

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