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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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niemandem so an den Kopf werfen, aber bei ihr kann ich nicht anders. Die Frau geht mir gegen den Strich. »Sie sind perfekt.«
    »Oh ja«, meint sie und betrachtet mich nachdenklich. »Ich hatte noch nicht mal Zeit, mir den Dreck von der Straße vom Gesicht schrubben, als euer Doktor Paolo Alvez mich schon in Beschlag genommen hat. Ich musste mir den Pia-Vortrag in voller Länge anhören.«
    »Den Pia-Vortrag?« Meine Neugier siegt über meine Sturheit und ich trete näher. »Was ist das?«
    »Soll das heißen, du hast ihn noch nicht gehört?« Sie zieht eine Packung Zigaretten aus der Tasche und zündet sich eine an. Ich hasse Zigaretten. Sie sind das Einzige auf der ganzen Welt, das mich krank macht, auch wenn meine Mutter behauptet, mir sei nur der Geruch zuwider und ich würde überhaupt nicht krank. »Man hat mich regelrecht festgenagelt, Alvez ist mir auf die Pelle gerückt und hat mir was von Geheimhaltung erzählt und von Vertragsklauseln und Konsequenzen und sonstigen Schauerlichkeiten. Und der zentrale Punkt von allem« – sie inhaliert tief und bläst einen Schwall ekliger Luft in meine Richtung – »warst du.«
    »Na ja«, erwidere ich steif, »ich bin nun mal der Grund, weshalb es diesen Ort überhaupt gibt.«
    »Ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung hatte, worauf ich mich da eingelassen habe, als ich den Job annahm. Ich dachte, ich komme her, um die Zellstruktur von Moskitos zu studieren oder vielleicht ein paar Ratten zu klonen. Sie sagten mir, das hier sei ein Forschungszentrum, das auf die ›großen Themen‹ abziele – Krebs, Herzerkrankungen« – sie verharrt plötzlich reglos, als betrachtete sie etwas weit Entferntes – »zerebrale Lähmung. Es kam mir zwar seltsam vor, dass ich mich für mindestens dreißig Jahre verpflichten musste, aber…« Ihre Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger scheint vergessen. Eine dünne Rauchfahne kringelt sich über ihr Gesicht. »Sagen wir einfach so: Das Angebot, das sie mir gemacht haben, hat mich überzeugt.«
    Ihr Blick wird wieder klar, sie schaut mich an und ihre Augen verengen sich argwöhnisch. »Und dann dieses undurchsichtige, geheimnisvolle Getue auf dem Weg hierher. Dieser Riese von einem Mann, Timothy, wollte mir nichts verraten, rein gar nichts. Und dann fragt er mich als Erstes, ob ich losziehen und ein Kleid für ein siebzehnjähriges Mädchen kaufen könnte.« Sie schüttelt den Kopf und erst jetzt fällt mir auf, dass sie ihre wilde Kräuselmähne gezähmt hat und einen Zopf trägt. Mit einer ordentlichen Frisur ist sie ganz hübsch und anscheinend jünger, als ich dachte.
    Ich zucke mit den Schultern. »Das Kleid ist okay.« Kein Grund, ihr zu sagen, dass ich ganz verschossen in das Teil bin. Sie soll schließlich nicht auf die Idee kommen, wir seien jetzt Freunde oder so.
    »Eine Party in Abendrobe mitten im Dschungel ist ziemlich schräg.«
    »Sie sprechen einfach aus, was Ihnen gerade in den Kopf kommt, oder?«
    »Immer. Ohne Ausnahme. Nur so weiß ich, dass ich ganz und gar ich bin.«
    »Warum sind Sie nach Little Cam gekommen?«
    »Hast du nicht zugehört? Um Tapire und Dreizehenfaultiere zu studieren.«
    »Was hat Ihnen Onkel Paolo über mich erzählt?«
    »Dass du unsterblich bist.« Am Zucken ihrer Mundwinkel sehe ich, dass sie es nicht glaubt.
    »Das bin ich tatsächlich.«
    »Hm. Dann hat er noch gesagt, du seist perfekt.«
    »Das bin ich auch.«
    »Puh. Aber sicher, Liebes.«
    »Es stimmt!« Mir stellen sich die Nackenhaare auf wie bei Alai. »Schauen Sie her.«
    Ich greife nach einem Skalpell auf Onkel Paolos Instrumententablett. Dr. Tollpatsch bekommt große Augen. »Pia…«
    »Schauen Sie einfach her.« Ich fahre mit dem Skalpell über meinen Arm, von oben nach unten, und drücke, so fest ich kann. Es brennt, aber nicht sehr. Ich kann Schmerz empfinden, wenn auch nicht so intensiv wie andere. Das Skalpell hinterlässt lediglich eine dünne weiße Linie, die innerhalb von Sekunden wieder verschwindet.
    Dr. Tollpatsch zieht scharf die Luft ein. Sie macht immer noch große Augen und denkt nicht mehr an ihre Zigarette. »Mein lieber Schwan…«
    Eine merkwürdige Redensart, finde ich, aber ihre Reaktion bereitet mir eine seltsame Freude. Ich lege das Skalpell zurück, ziehe ein zusammengerolltes Schaubild aus einer Schublade und breite es neben ihr auf dem Untersuchungstisch aus. Sie verfolgt jede meiner Bewegungen mit gespannter Aufmerksamkeit.
    »Was ist das?«
    »Das«, verkünde ich voller Stolz, »ist mein Stammbaum.

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