Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
Biomedizinerin sein, aber so langsam glaube ich, dass sie auch eine ganz gewaltige Meise hat. »Denn es ist etwas passiert, womit niemand gerechnet hat. Die Wissenschaftler hatten dem Nachwuchs der Ratten und deren Nachwuchs Immortis gespritzt – die durch den Katalysator nicht tödliche Form von Elysia –, ohne wirklich an ein Ergebnis zu glauben. Die Ratten lebten, die Ratten starben, ohne dass sich etwas Ungewöhnliches feststellen ließ. Bis…« Ich gehe durchs Zimmer, hebe den Deckel von einem Käfig und hole die Ratte, die darin sitzt, heraus. »Bis Roosevelt.«
Ich halte ihn Dr. Tollpatsch unter die Nase in der Hoffnung, dass sie – Doktor der Biomedizin hin oder her – kreischt und zusammenzuckt. Stattdessen nimmt sie mir Roosevelt aus den Händen und gurrt ihm etwas ins Ohr, als sei er ein kleines Kätzchen. Ein wenig überrascht, aber auch irgendwie erfreut, dass sie so angetan von ihm ist, erkläre ich: »Roosevelt wurde 1904 geboren.«
Sie lässt ihn fast fallen und er quiekt entrüstet. »Du lügst!«
»Es ist die reine Wahrheit. Roosevelt ist über hundert Jahre alt. Die meisten Ratten werden nicht älter als zwei oder drei Jahre.«
Dr. Tollpatsch schaut von Roosevelt zu mir. »Was ist passiert?«
Aha. Ich habe wieder ihre volle Aufmerksamkeit und weiß, dass sie mich jetzt nicht mehr unterbrechen wird. »Roosevelt hatte noch ein paar Überraschungen parat. Er war die einzige Ratte im Wurf, was an sich schon ungewöhnlich ist. Als Dr. Falk ihm Immortis spritzen wollte, ist die Nadel abgebrochen. Genau wie das nächste Dutzend oder so, mit dem er es versucht hat. Ja, die Haut von Roosevelt ist so dick wie meine, das heißt, sie ist undurchdringlich. Dazu kommt, dass Roosevelt schneller und geschickter ist als jede andere Ratte.« Ich nicke, als sie mich fragend anschaut. »Ja, ich auch. Aber das Wichtigste kommt erst noch: Drei, vier, zwanzig Jahre vergehen und Roosevelt lebt so glücklich und zufrieden weiter, wie man sich das nur wünschen kann. Natürlich führt Dr. Falk daraufhin Dutzende von Experimenten an Hunderten von Ratten durch und kommt hinter das Geheimnis.«
Ich mache eine Pause und genieße es, wie Dr. Tollpatsch an meinen Lippen hängt. Schließlich fahre ich fort: »Des Rätsels Lösung ist die allmähliche Veränderung des menschlichen – oder rattenspezifischen – Genoms. Es dauert fünf Generationen, nicht mehr und nicht weniger, in denen regelmäßig Immortis gespritzt werden muss, bis das Unsterblichkeitsgen der Pflanze sich in den genetischen Code des Menschen oder der Ratte eingliedert. Dr. Falk ging zurück in die Welt außerhalb des Dschungels und suchte sich zweiunddreißig der gesündesten, sportlichsten, intelligentesten und schönsten jungen Leute, die die Gesellschaft zu bieten hatte. Er brachte sie nach Little Cam und begann mit der Injektion des Serums. Das hat dem Zentrum hier so richtig Aufschwung gegeben. Die jungen Leute bekamen Kinder, ihre Kinder hatten auch wieder Kinder, deren Kinder bekamen Kinder und diese Kinder bekamen mich.«
Ich nehme ihr Roosevelt ab, streichle sein seidiges Fell und spüre seinen Herzschlag in meiner Hand. »Und genau wie alle im Lauf dieses Jahrhunderts der Forschung, des Experimentierens und der selektiven Fortpflanzung gehofft hatten, kam es… ich bin unsterblich.«
4
»Und das war’s dann?«, fragt Harriet Fields, drückt ihre Zigarette auf dem Untersuchungstisch aus und schnippt die Kippe in den Abfall. »Da bist du nun, die unsterbliche, perfekte Pia. Sieht aus wie das Ende der Fahnenstange. Oder gibt’s hier irgendwo einen unsterblichen, perfekten Traummann?« Sie blickt sich um, als erwarte sie, dass sich einer hinter dem Kühlschrank voller Speichelproben herumdrückt.
»Wie meinen Sie das?«
»Na ja, so wie ich das verstehe, hat es sich das Zentrum hier zur Aufgabe gemacht, eine neue Rasse von Übermenschen zu erschaffen –«
»Übermenschen?«
»Unsterbliche. Aber ich sehe hier nur ein schlaksiges Mädchen mit einer Arroganz größer als ihre Körbchengröße –«
»Ich bin nicht schlaksig!« Ich straffe die Schultern und blicke sie finster an.
»Jaja.« Sie wedelt abschätzig mit der Hand. »Du bist perfekt, ich vergaß. Aber meine Frage lautet: Wo ist Mister Perfect?«
Ich hole tief Luft. »Sobald ich mein Studium zu Ende gebracht habe und ins Immortis-Team aufgenommen werde, machen wir einen.« Meinen Traum laut auszusprechen, lässt mein Herz vor Freude flattern und ich lächle stolz.
Aus
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