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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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gebeten«, ist ihre Antwort und die Worte scheinen die Erde zwischen uns aufzureißen. Eine Kluft entsteht, die nichts je wieder zusammenbringen kann.
    »Wie es aussieht, haben wir ein gewisses Einvernehmen erreicht.« Paolo zeigt auf Timothy und Sergei und sie lassen ihre Waffen sinken. »So ist’s besser. Wir sind schließlich zivilisierte menschliche Wesen.«
    Über seine Schulter hinweg sehe ich zwischen den Baumstämmen hindurch, wie das Tor sich öffnet. Wer den Mechanismus betätigt, kann ich nicht erkennen. Ein Seitenblick auf Onkel Antonio und Eio sagt mir, dass sie es auch gesehen haben.
    Aber meine Mutter hält noch immer die Nadel an Onkel Antonios Hals.
    »Wenn ich bleibe«, schlage ich zur Überraschung aller vor, »und schwöre zu tun, was du von mir verlangst – lässt du Onkel Antonio und Eio dann gehen?«
    Paolo schaut mich nachdenklich an. »Das wäre zu überlegen. Falls –«
    Ein ohrenbetäubendes Gekreische unterbricht ihn. Wir schauen alle auf und sehen den Griesgram in einem beachtenswerten Sprung vom Dach des Wohnblocks zu der Baumreihe in der Auffahrt segeln. Dabei kreischt er ununterbrochen. Es raschelt, als er sich von Baum zu Baum hangelt. Dann schwingt er plötzlich zur Seite und zwischen den Metallstangen über dem Machendraht hindurch. Es ist dieselbe Lücke, durch die auch Ami heute Morgen entkam. Der Griesgram verschwindet im Dschungel und sein wildes Gekreische verklingt nach und nach.
    Irgendjemand – ich nehme an, es war Onkel Jonas – hat sämtliche Tiere freigelassen. Wahrscheinlich fürchtete er, die Ameisen könnten sich im Tierhaus ihren Nachtisch holen. Papageien kreischen und fliegen über uns weg. Jinx schleicht wie ein Schatten an uns vorbei und ein Trupp Affen beeilt sich, den Griesgram einzuholen. Als Letzter läuft Alai vorbei, geschmeidig wie der Wind. Ein kurzer Blick aus seinen goldenen Augen, dann verschwindet er durch das Tor.
    Wir alle sind für einen Moment wie gebannt. Onkel Antonio spricht schließlich als Erster. Er dreht gerade so weit den Kopf, dass er Eio und mich anschauen kann. Ein langer, langer Blick auf Eio und ein Nicken, dann schaut er mich an. Ich bin entsetzt von dem, was ich in seinen Augen lese.
    »Vergiss nicht, Pia«, flüstert er, »perfekt ist nur, wer sich perfekt verhält.«
    Er macht einen Schritt nach hinten und die Nadel bohrt sich in seinen Nacken. Mutter ist so erschrocken, dass sie die Spritze loslässt. Sie fällt zu Boden, doch die Hälfte des Inhalts ist bereits in Onkel Antonios Blutkreislauf gelangt. Wie eine abgeschnittene Marionette sackt er vor Mutters Füßen zu Boden.

35
    Die Welt zu meinen Füßen tut sich auf und ich will genau wie Paolo, Timothy und Sergei zu Onkel Antonio stürzen. Doch Eio packt meine Hand und zieht mich weg, und bevor sie es begriffen haben, sind wir schon ein gutes Stück gelaufen und wir rennen weiter.
    Sie rufen hinter uns her. Wir lassen uns nicht aufhalten. Durch das Wäldchen, über die Zufahrt, durch das Tor – mir bleibt nur ein kurzer Moment, um den Kopf zu drehen und zu sehen, wer es für uns geöffnet hat.
    Mein Vater. Mein gütiger, freundlicher, sanftmütiger Vater, der nicht widersprechen würde, selbst wenn jemand behauptete, der Himmel sei grün und die Sonne nichts weiter als eine große Zitrone. Traurig winkt er uns zu, als wir vorbeihasten. Es bleibt nicht einmal Zeit, ihm etwas zuzurufen. Als ich noch einmal zurückschaue, sehe ich, wie er von Paolo und Timothy überwältigt wird.
    Bitte tut ihm nichts!, flehe ich stumm. Er hat nie etwas Böses getan. Diese kleine, aber hilfreiche Geste, so banal im Vergleich zu dem abscheulichen Verrat meiner Mutter, ist wie eine Salbe auf der Wunde, die sie in meine Seele gerissen hat. Sie heilt dadurch nicht, aber es lindert ein wenig den Schmerz. Wenigstens ein Elternteil hat zu mir gehalten, als es darauf ankam.
    Gewehrkugeln pfeifen uns um die Ohren und eine trifft sogar meinen Oberschenkel. Ich habe noch nie einen solchen Schmerz gespürt, aber natürlich durchdringt sie nicht die Haut.
    »Schneller!«, schreit Eio und zieht mich weiter. Ausgeschlossen, dass sie mit uns Schritt halten können, nicht mit mir, die ich schneller bin als jeder andere Mensch, und nicht mit Eio, der im Dschungel aufgewachsen ist.
    Sie können nicht mit uns Schritt halten, aber ihre Kugeln schon. Eio stolpert, als ihn eine an der Schulter trifft, aber er stürzt nicht.
    »Du bist getroffen!« Ich ziehe an seiner Hand, damit er stehen bleibt, aber er

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