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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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und nimmer unbemerkt zurückschleichen könnte, habe ich jetzt keine Ahnung, was ich tun soll. Eine einfache Erklärung für meine Abwesenheit reicht sicherlich nicht aus. Mit Behauptungen wie der, dass ich in der Fachbücherei gelesen oder im Fitnessraum trainiert hätte, würde Onkel Paolo sich nie zufrieden geben. Er kennt mich mein Leben lang und würde mich sofort durchschauen. Außerdem bin ich eine sehr schlechte Lügnerin, ganz einfach, weil ich nie lüge. Bis jetzt hatte ich keinen Grund dazu.
    Es gibt da allerdings eine Person, die es ganz offensichtlich ganz gut kann… Aber es geht mir gegen den Strich, dass ich sie noch einmal um einen Gefallen bitten muss. Andererseits habe keine Wahl.
    »Hm, Tante Harriet?«
    »Ja?« Sie schaut mich an, als wüsste sie bereits, was ich fragen will, und es bereitet ihr grenzenloses Vergnügen.
    Los, Pia, bring es hinter dich. »Was, äh, soll ich sagen, wenn sie mich finden?«
    »Hmmm. Du brauchst eine Geschichte, und zwar eine gute. Mehrere Stunden ohne ein Wort oder ein Lebenszeichen. Und so groß ist Little Cam ja auch wieder nicht. Sie haben überall nach dir gesucht.« Sie kaut auf ihrer Unterlippe herum und blickt mich nachdenklich an. »Okay. Ich hab’s. Komm mit.«
    Sie joggt den Rundweg hinunter. Ich folge ihr und hoffe, dass sie weiß, was sie tut. Ich überlege immer noch, ob ich ihr wirklich trauen kann, doch unter den gegebenen Umständen habe ich wohl keine andere Wahl. Tante Harriet kennt mein Geheimnis, das heißt, momentan bin ich ihr ausgeliefert.
    Sobald wir außer Sichtweite irgendwelcher Wachen sind, die möglicherweise am Zaun entlangpatrouillieren, wird sie langsamer und geht neben mir her. »In einer Situation wie dieser ist die beste Lüge eine, die Sympathie weckt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, wenn du sagen würdest, du bist in einer Ecke eingeschlafen oder hast dich bewusst irgendwo versteckt, würde sie das nur noch wütender machen – und eines kannst du mir glauben: Sie sind schon jetzt stinkwütend.«
    Ich nicke und muss an die Unterhaltung zwischen Onkel Paolo und Onkel Antonio denken.
    »Deshalb ist es viel besser«, fährt Tante Harriet fort, »sich eine Situation auszudenken, die ihnen ein schlechtes Gewissen verursacht, wenn sie davon hören. Zum Beispiel, dass ein Klavier auf dich draufgefallen ist und du dich nicht mehr rühren konntest.«
    »Was?« Ich bleibe stehen und blicke sie entsetzt an.
    »Du liebe Güte, Pia! Das war doch nur Spaß! Aber du verstehst, was ich meine?«
    »Ich glaube schon.« Ich setzte mich wieder in Bewegung, allerdings lasse ich einen größeren Abstand zwischen uns, nur für den Fall, dass es ihr einfällt, mich unter einem Klavier zu begraben.
    »Der Trick ist der: Du musst sie dazu bringen, dass du ihnen leidtust. Es gibt nichts Besseres, als Wut durch Mitleid zu ersetzen.« Sie bleibt stehen und zeigt auf das Gebäude vor uns. Es ist der Laborblock B, das kleinere der beiden wichtigsten Forschungsgebäude in Little Cam. Es liegt im Nordwesten in der Nähe des Zauns. »Gehen wir hinein.«
    »Warum? Was ist dein Plan?«
    Sie gibt keine Antwort, sondern spaziert den weißen, auf Hochglanz polierten Flur entlang, ohne sich auch nur einmal nach mir umzuschauen. Es ist gespenstisch still; offenbar sind alle draußen und suchen nach mir. Das Echo unserer Schritte wird von den Wänden zurückgeworfen und die Bodenfliesen sind so blitzsauber, dass ich mich darin spiegeln kann. Die Türen, an denen wir vorbeikommen, sind durchnummeriert: Labor 114, Labor 115, Labor 116. Dazwischen liegen kleinere, fensterlose Wirtschaftsräume. Über uns werfen Leuchtstoffröhren ihr kaltes Licht von der Decke. Onkel Paolo hasst nichts mehr als kaputte Lampen und beim ersten Anzeichen, dass eine den Geist aufgibt, lässt er sie von Clarence auswechseln.
    Endlich bleibt sie stehen, stemmt die Hände in die Hüften und blickt sich irritiert um. »Wo ist gleich wieder dieser Kühlraum…?«
    »Labor 112«, antworte ich. »Dort entlang –«
    »Und was ist da drin?«, unterbricht sie mich und geht auf eine Tür am Ende des Flurs zu.
    »Nicht reingehen«, warne ich.
    »Warum nicht?« Ihre Hand schwebt über dem Türknauf.
    »Dahinter liegt der alte Flügel. Vor Jahren hat es hier gebrannt und seither steht er leer. Niemand benutzt ihn mehr.«
    »Tatsächlich?« Sie betrachtet die Tür neugierig. »Seltsam. Von außen sieht man dem Gebäude nichts an.«
    Ich zucke mit den Schultern. »Niemand darf es betreten. Es ist zu

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