Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
Wallung kam. Und als ich in Gefahr war, hat er ohne zu zögern alles getan, um mich zu retten.
Würde ich dasselbe auch für ihn tun? Die Frage verfolgt mich, da ich keine Antwort darauf habe. Ich weiß es einfach nicht. Ein Nein wäre ein Verrat an Eio und meinen Gefühlen für ihn; doch ein Ja wäre ein Verrat an sämtlichen Bewohnern von Little Cam… und vielleicht sogar an meinem eigenen Traum. Würde ich auf die Ewigkeit mit meiner unsterblichen Rasse verzichten, nur um das Leben dieses einzelnen sterblichen Jungen zu retten?
Dazu wird es nie kommen, rede ich mir ein. Bestimmt wird es nie so weit kommen.
Erst jetzt fällt mir auf, dass Eio irgendwann während der Feier ein schwarzes T-Shirt angezogen hat. CHICAGO steht in schwungvollen Buchstaben darauf. »Was bedeutet das?«, frage ich und zeige darauf.
»Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, es ist eine Stadt in den Vereinigten Staaten von Amerika. Gestern Abend war Papi da und hat es mir gegeben. Er sagte, manchmal gerieten solche T-Shirts in die Kisten, die dieser Kraftprotz Timothy nach Little Cam bringt. Aber dort könnten sie sie nicht tragen, weil sie gegen die Regeln verstoßen.«
Weil ich sie nicht sehen darf, denke ich. Bestimmt ist das der Grund. »Dein Papi war gestern Abend hier?«
»Er kommt ein Mal pro Woche oder so.«
»Du hast mir immer noch nicht gesagt, wer er ist.« Plötzlich fällt mir etwas Entsetzliches ein. »Eio, du hast ihm doch nicht von mir erzählt, oder?« Es könnte jeder in Little Cam sein. Vielleicht kennt er mein Geheimnis schon. Falls ja, warum hat er es noch niemandem verraten? Es könnte sogar Onkel Paolo selbst sein!
»Natürlich nicht!«, beruhigt er mich und mein Herz schlägt wieder normal. »Ich bewahre dein Geheimnis und ich bewahre das von Papi. Ihm erzähle ich nichts von dir und dir erzähle ich nichts von ihm.« Er zuckt entschuldigend mit den Schultern. »Das ist nur fair.«
»Wahrscheinlich.« Ich seufze erleichtert, weil mein Geheimnis immer noch eines ist. »Aber früher oder später komme ich dahinter.«
»Vielleicht«, stimmt er mir zu.
Wir klettern eine mit Farn bewachsene Böschung hinauf. Die Straße, wo der Jeep warten soll, liegt auf der anderen Seite.
Oben auf der Anhöhe bleibt Eio stehen. »Du bist sicher, dass du das durchziehen willst?«
»Kein Problem. Es war ein bisschen staubig, aber ich bin immerhin rausgekommen, oder?« Ich bleibe neben ihm stehen. »Also dann… bis zum nächsten Mal.«
Er will etwas sagen, hält dann aber inne, als wüsste er nicht, wie anfangen. Schließlich nimmt er meine Hand. »Du musst nicht zurückgehen«, flüstert er.
»Eio –«
»Pia.« Er streicht mir über den Arm bis hinauf zum Ellbogen. Seine Hand hinterlässt bei mir eine Gänsehaut. »Es ist falsch, dass du dich hinaus- und hineinschleichen und dich unter ihren Autos verstecken musst.« Er schüttelt den Kopf und runzelt zornig die Stirn. »Du lebst in Angst vor diesen Leuten. Warum gibst du es nicht zu? Es ist ein Käfig, Pia. Das musst du doch sehen. Du musst es spüren, wann immer du dich verstohlen umschaust. Du tust es schon wieder!«
Ich blicke mich tatsächlich verstohlen um, aber nicht wegen seiner Worte, sondern weil die Stelle, wo der Jeep stehen sollte, leer ist.
Vom Fluss herauf kommt Motorengeräusch. Wir kauern uns in die Farne und beobachten den vorbeifahrenden Jeep. Am Steuer sitzt der Wachmann, der von seiner Schicht nach Little Cam zurückkehrt, und er hat zwei Mitfahrer dabei. Fremde: eine Frau mit braunem Haar und einen weißhaarigen Mann.
»Oh nein«, ächze ich. Ich habe keinerlei Zweifel, wer sie sind.
Die Leute von Corpus.
»Sie sind früher dran«, flüstere ich.
»Wer sind sie?« Eio kniet neben mir. Seine Hand liegt immer noch auf meiner.
»Sie sind von außerhalb. Sie kommen meinetwegen.« Und sobald sie in Little Cam sind und nach mir fragen, kommt die Wahrheit ans Licht. Alles – und alle sind dann in Gefahr. Ich. Tante Harriet. Eio.
Nein. Eio nicht. Ich darf nicht zulassen, dass er mit hineingezogen wird. Mir fällt wieder ein, was ich an dem Morgen zu ihm sagte, als ich mich aufs Gelände zurückschlich: »Wenn sie herausfinden würden, dass du zu viel über mich weißt, könnten sie…« Ich bin mir immer noch nicht sicher, was sie tun würden, und ich will es auch gar nicht wissen.
Wieder hören wir Motorengeräusche. Ein weiterer Jeep kommt. Auch hier sitzt ein Wachmann am Steuer. Er transportiert das Gepäck der Corpus-Vertreter.
»Ich muss
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