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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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Männer wie Dr. Falk wurden verachtet. Deshalb kam Dr. Falk hierher in den Dschungel. Er hatte gehört, dass es der Legende nach hier eine Blume gäbe, die Unsterblichkeit verleiht…
    Onkel Paolo ist wütend auf die Außenwelt, die Dr. Falk und seine Kollegen dazu gezwungen hat, sich zu verstecken. »Sie waren dumm, Pia, und sie sind es immer noch. Sie verstehen nicht, dass Leben zu beenden manchmal eine größere Gnade sein kann als Leben zu retten. Du musst den Zusammenhang sehen. Du musst das große Ganze im Blick haben und nicht das Individuum. Sobald du dich auf das Blatt konzentrierst und nicht mehr auf den ganzen Baum, verlierst du die Objektivität und dein Verstand ist befangen. Du musst immer den Baum im Auge haben, Pia. Immer objektiv sein. Dein Verstand muss dein Herz regieren und nicht umgekehrt.«
    »Und was glaubst du?«, will Eio wissen. Er rollt sich auf den Bauch und blickt mich direkt an. »Stimmst du ihm zu?«
    »Ich?« Niemand hat mich je gefragt, wie ich zu Onkel Paolos Ansichten stehe. In Little Cam denken alle so. »Na ja, ich bin nicht anderer Meinung. Onkel Paolo ist schließlich Wissenschaftler. Zu seinen Schlussfolgerungen kommt er durch genaue Beobachtung und Dokumentation und –«
    »Guck mal«, unterbricht Eio mich. Er fegt ein paar Blätter beiseite und ritzt mit dem Finger eine Linie in den Boden. »Was ist das?«
    Verständnislos blicke ich von der Linie zu Eio. »Hm?«
    »Ist es eine Linie oder ein Kreis?«
    »Was ist das, eine Scherzfrage?«
    »Antworte einfach.«
    Vorsichtig erwidere ich: »Eine Linie.«
    »Dann ist es also kein Kreis? Bist du sicher?«
    Ich betrachte ihn kühl. Witzig finde ich das nicht. »Ja.«
    »Okay«, meint er ohne jede Häme, greift hinter mich und zupft ein rundes Blatt ab – Tropaeolaceae tropaelum, meldet sich mein Gedächtnis. Er hält es waagrecht auf Augenhöhe, sodass es aussieht wie ein Strich in der Luft.
    »Linie oder Kreis?«
    »Okay, du Neunmalkluger.« Ich verdrehe die Augen. »Ich hab’s verstanden.«
    Er lässt nicht locker. »Linie oder Kreis?«
    »Beides. Haha.« Ich schnappe mir das Blatt, halte es senkrecht und folge mit den Augen der kreisförmigen Umrisslinie.
    »Das hat mir Papi einmal gezeigt. Er sagte, sehen und verstehen seien zwei unterschiedliche Dinge. Unsere Augen zeigen uns eine Seite eines Gegenstandes, aber das bedeutet nicht, dass es nicht noch fünf andere Seiten gibt, die wir nicht sehen können. Weshalb dann nur den Augen trauen? Warum willst du dein ganzes Leben in dem Glauben zubringen, dass jedes Ding nur eine Seite hat, bloß weil du die anderen nicht sehen kannst?«
    »Wenn du deinen Augen nicht trauen kannst, wem oder was kannst du dann trauen?«
    Er lächelt, nimmt meine Hand in seine, hebt einen Finger und tippt auf das Blatt. »Jemandem, der die anderen Seiten sehen kann.«
    »Dir zum Beispiel?« Die Frage ist eigentlich spöttisch gemeint und ich bin selbst überrascht, dass sie vollkommen ernst herauskommt.
    »Hm… warum nicht?« Er lächelt verschmitzt, als wolle er mich zum Streiten auffordern. »Bist du wirklich so überrascht, dass wir Eingeborenen nicht so dumm sind, wie eure Wissenschaftler behaupten? Glaubst du, nur ihr dürft clever sein?«
    Ich möchte eigentlich etwas Schlagfertiges darauf erwidern, doch mein Mund bleibt geschlossen und ich blicke ihn fasziniert, wenn auch ein wenig verwirrt an. Immer noch lächelnd gähnt er und rekelt sich.
    »Da drüben steht ein Papayabaum. Ich hole uns ein paar Früchte und danach bringe ich dir noch mehr clevere Dinge bei.« Er lacht, als ich die Augen verdrehe, steht auf und verschwindet in Richtung Dschungel.
    »Du hältst dich wohl für ein echtes Genie, was?«, rufe ich ihm nach.
    Er dreht sich um, macht eine kurze theatralische Verbeugung und verschwindet lachend zwischen den Bäumen.
    Über so viel Einbildung kann ich nur den Kopf schütteln. Ich streife meine Schuhe ab, kremple die Hosenbeine hoch und wate zu Ami ins Wasser.
    »Wie? Hast du Angst, du wirst nass?« Sie spritzt mich voll und ich hebe die Hände und lache.
    Dann sehe ich, wie sich hinter ihr das Wasser kräuselt, und zeige mit dem Finger darauf. »Was ist das?«
    »Ich weiß nicht.« Ami watet weiter ins Wasser hinein, um sich die Sache genauer anzuschauen.
    Dann begreife ich. »Ami, nein! Komm zurück!«
    »Was –«
    Sie wird unter die Wasseroberfläche gezogen. In Sekundenschnelle wickelt sich eine Schlange, so dick wie mein Oberschenkel, vier Mal um ihren kleinen Körper und

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