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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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bitte… Ich wünsche, ich wüsste von einem Gott, zu dem ich beten könnte. Stattdessen kann ich nur dieses eine Wort in den Äther schicken wie einen verzweifelten SOS-Ruf. Bitte, bitte…
    Mit einem tiefen, kehligen Bellen zerrt Eio die Schlange von seinem Körper. Sie windet sich in der Luft, zischt und schlägt mit dem Schwanz, dann klatscht sie ins Wasser. Ich denke schon, es ist vorbei und wir können endlich hier weg, Eio ist schließlich gerettet. Aber er verfolgt das Tier.
    »Nein«, krächze ich.
    Doch Eio hört mich nicht. Er ist im Kampfrausch. Er greift nach dem kleinen Bogen auf seinem Rücken, doch bei der Umarmung der Schlange ist er zerbrochen. Also stürzt er hinter ihr her, den Pfeil wie einen Dolch auf sie gerichtet. Ein blitzschneller Stoß und er steckt zwischen den Augen der Schlange.
    Eine Zeit lang zuckt ihr Körper noch wild hin und her. Eio lässt sich erschöpft neben mir auf den Boden fallen. Mit geschlossenen Augen ringt er nach Luft.
    »Alles okay?«, frage ich heiser.
    Er antwortet nicht, atmet nur konzentriert weiter. Nach einer Weile nickt er. Ich ziehe mein Top aus. Dass mein Anblick im Sport-BH keine Beleidigung für die Ai’oaner ist, weiß ich – viele Ai’oanerinnen laufen oben ohne herum –, und tauche es in den Fluss. Dann reibe ich ihm Gesicht und Brust damit ab in der Hoffnung, ihn kühlen zu können. Ganz deutlich sehe ich seine Halsschlagader und Schläfen pulsieren.
    Nach etlichen Minuten öffnet er die Augen. Sie blicken müde und sind rot gerändert, aber er schaut mich an. Alles andere ist mir egal.
    »Du hast mich gerettet«, flüstere ich. »Du hast sie getötet.«
    Wir schauen beide zu der Schlange hinüber. Endlich rührt sie sich nicht mehr. Ihr grüner Körper ragt in Schlingen aus dem Wasser. Ami watet hinein und stupst sie mit einem Stock an. Sie kreischt, als eine Schlaufe umkippt, aber die Schlange ist ganz und gar tot. Ihr Kopf liegt am anderen Ufer. Der Pfeil steckt noch immer im Schädel.
    Eio grinst mich an, was mich einigermaßen fassungslos macht angesichts seines Aussehens – er ist voller Dreck und Laub – und der Tatsache, dass er gerade eine Riesenschlange getötet hat.
    »Unser Abendessen«, sagt er.
    * * *
    Die Ai’oaner können machen, was sie wollen, ich esse kein Anakondafleisch. Es ist genug da, keine Frage. Sie zerteilen die Schlange, spießen die Stücke auf und garen sie über dem offenen Feuer. Ich kann nicht hinschauen. Bei der Vorstellung, eine Kreatur zu verspeisen, die fast mich verspeist hätte, verdirbt es mir den Appetit.
    Als der Nachmittag in den Abend übergeht, mache ich mich auf den Weg zu der Stelle, an der die Wachleute den Jeep parken. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, warum ich so mitgenommen aussehe. Meine Atmung ist wieder normal, aber ich habe blaue Flecken am Hals und am Bauch, meine Frisur ist im Eimer und meine Kleider sind zerrissen und schmutzig.
    Eio begleitet mich. Auch er hat während des Festessens nicht viel geredet, obwohl ihn die Dorfbewohner mit Lob überschüttet haben. Offensichtlich hat noch kein Ai’oaner je eine so große Schlange getötet, zumindest nicht soweit man sich erinnern kann. Eio ist der Held des Tages.
    »Die Anakonda hätte dich umbringen können«, stelle ich fest, als wir uns an Lianen und Büschen einen steilen Abhang hinaufhangeln. Er zuckt mit den Schultern und streckt mir eine Hand hin. Ich ergreife sie und er zieht mich zu sich hoch. »Ich musste sie von dir wegbekommen. Du warst fast schon bewusstlos.«
    »Du hättest für mich sterben können.«
    »Möglich«, erwidert er, als sei ihm der Gedanke vorher noch nicht gekommen. »Kapukiri sagt, es gibt nichts Nobleres, als sein Leben für andere zu geben.«
    Ich denke eine Weile darüber nach. Es ist seltsam, so über den Tod zu denken. Noch seltsamer ist der Junge, der sein Leben für meines riskiert hat. Wenn ich sterben könnte, würde ich dasselbe auch für ihn tun? Ich weiß, was sie in Little Cam sagen würden. »Niemals, Pia. Du wirst dein Leben nie für irgendjemanden wegwerfen können.« Sie würden mich daran erinnern, dass ich die einzige Unsterbliche bin und die Hoffnung der Menschheit auf mir ruht. Und ich würde ihnen glauben, weil ich ihnen immer geglaubt habe.
    Doch als ich unter einem Ast durchschlüpfe, den Eio für mich hochhält, muss ich an meinen letzten Besuch in Ai’oa denken und wie lebendig ich mich jede Mal gefühlt habe, wenn unsere Blicke sich trafen. Wie mein Blut bei seiner Berührung in

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