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Die eisblaue Spur

Die eisblaue Spur

Titel: Die eisblaue Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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erklärte, ihr
Lebensgefährte habe das Haus durch die Hintertür
verlassen, daher könnten sie telefonieren, wenn sie sich
beeilen würden. Dann führte sie sie in ein kleines
Wohnzimmer zu einem schäbigen Sofa. Das Telefon stand auf
einem Beistelltischchen.
    »Was ist mit Ihnen
passiert?«, fragte Dóra die Frau. Sie saß ihr
gegenüber auf einem Klappstuhl, der schon bessere Zeiten
erlebt hatte. »Hat er Sie verletzt?«
    »So was kommt schon mal
vor. Das wird schon wieder.« Sie rieb mit ihren nackten
Füßen über das Eisbärenfell auf dem
Fußboden.
    »Wie heißen Sie
eigentlich wirklich?« Dóra überließ es
Matthias, bei der Polizei anzurufen. Dort wurde bestimmt Englisch
gesprochen. In der Zwischenzeit konnte sich Dóra mit der
Frau auf Dänisch unterhalten.
    »Oqqapia.« Sie
ließ ihren verletzten Arm los und setzte sich gerade hin, so
als sei ihr plötzlich bewusst geworden, was für einen
schrecklichen Anblick sie bot.
    »Ich weiß nicht, was
wir gemacht hätten, wenn Sie uns nicht geholfen hätten.
Wir bezahlen Sie auch dafür.«
    »Nein, danke.« Die
Frau schien es ernst zu meinen. »Ich will kein Geld. Das
macht es nur noch schlimmer.«
    »Manchmal ja.«
Dóra wusste nicht, was sie der Frau stattdessen anbieten
könnte, und wollte das Gespräch auf etwas Harmloses
lenken: Sie erkundigte sich nach dem kleinen Mädchen auf dem
Schlitten, das sie gesehen hatte.
    »Die ist speziell.«
Oqqapia rieb nervös ihre Hände. »Sie sieht so aus,
weil sie einen Unfall hatte. Sie ist ganz verrückt auf den
Schlitten, und ihr Vater muss sie immer mitnehmen, wenn er
irgendwohin fährt. Aber es ist ein braves Mädchen, das
arme Ding«, sagte sie sanft und wirkte wieder etwas
gefasster.
    Dóra nutzte die
Gelegenheit, um das Thema zu wechseln.
    »Was bedeutet eigentlich
Usinna? Ist das ein Name?« In Anbetracht der Reaktion des
Mannes hätte man annehmen können, es sei ein Schimpfwort.
Vielleicht hatte Oddný Hildur es aufgeschrieben, damit sie
es nicht versehentlich benutzte.
    Oqqapia drehte sich um, so als
rechne sie damit, dass sich der Mann von hinten anschlich.
»Ja, es ist ein Name. Ein Frauenname.« 
    Also hatte Dóra doch
recht gehabt. »Und warum war der Mann so wütend, als ich
den Namen gesagt habe? Ich dachte, Sie würden so
heißen.«
    Die Frau leckte sich mit der
Zunge über den blutigen Mundwinkel und die geschwollene Lippe.
»Sie hätten ihren Namen nicht aussprechen dürfen.
Naruana ist da sehr empfindlich und war sowieso schon sauer. Sie
sind wirklich zu einem schlechten Zeitpunkt
gekommen.«
    »Ist Naruana Ihr
Mann?« Dóra hoffte für sie, dass es nicht so war.
»Er scheint ziemlich impulsiv zu sein«, fügte sie
zögernd hinzu.
    Die Frau lächelte dumpf,
und ihre weißen Schneidezähne blitzten auf. In den
Zwischenräumen klebten dunkle Blutreste. »Wir sind nicht
verheiratet. Er wohnt nur hier.« Sie schob ihren Kiefer vor,
wie um zu überprüfen, ob etwas gebrochen war.
»Normalerweise verhält er sich nicht so. Wie gesagt, Sie
sind zu einem ungünstigen Zeitpunkt
gekommen.« 
    »Vielleicht sollten Sie
darüber nachdenken, sich von ihm zu trennen. Und warum regt
ihn der Name Usinna so auf?«
    Die Frau schwieg eine Weile und
starrte Dóra auf unangenehme Weise an. Dann sagte sie
entschieden, aber mit leicht zittriger Stimme: » Seine
Schwester hieß Usinna. Sie ist vor ein paar Jahren gestorben.
Das ist ihm sehr nahegegangen.«
    »Verstehe.« Was zum
Teufel hatte der Name einer Verstorbenen in Oddný Hildurs
Notizbuch zu suchen? Dóra beobachtete aus dem Augenwinkel,
wie Matthias zum vierten Mal die Nummer der Polizei wählte. Er
hatte immer noch keine Verbindung bekommen. » Wann ist sie
denn gestorben?«
    »Vor fast fünf
Jahren.«
    »Und er ist immer noch
nicht darüber hinweg? War sie noch ein Kind?« Es war
sehr schwierig, das Alter des Mannes zu schätzen; er konnte
zwischen fünfundzwanzig und fünfzig sein.
    »Nein, sie war älter
als er. Sie ist mit Ende zwanzig gestorben.«
    Matthias legte auf und reichte
Dóra den Zettel. »Kannst du sie mal fragen, ob die
Nummer stimmt? Ich kriege keine Verbindung.« Die Frau
musterte den Zettel, nickte und sagte, es sei manchmal schwierig,
eine Verbindung zu bekommen, er solle es einfach weiterversuchen.
Matthias bat Dóra, zu fragen, ob das Telefon abgestellt sein
könnte. Da errötete die Frau und sagte, die Behörden
würden die Grundgebühr bezahlen und das Telefon sei
funktionstüchtig. Matthias wählte weiter.
    Dóra konzentrierte sich
wieder

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