Die eisblaue Spur
kann.«
»Sie wussten
natürlich noch nicht, was passieren würde, als sie den
Film verschickt haben«, sagte Eyjólfur scharf.
»Es wäre was anderes, wenn sie ihn einen Tag später
gemailt hätten.«
Dóra ergriff das Wort, um
einen weiteren Streit zwischen Eyjólfur und Friðrikka im
Keim zu ersticken. »Habt ihr denn eine Idee, wer das da am
Fenster sein könnte? Ist das einer aus dem Team? Wisst ihr
noch, ob über den Film gesprochen wurde? Ob jemand gesagt hat,
er hätte dabei mitgemacht?«
Beide schüttelten den Kopf.
»Wir haben nicht darüber gesprochen«, sagte
Friðrikka, »und ich bezweifle, dass andere daran
beteiligt waren. Die haben so was immer nur zu zweit
gemacht.«
»Von uns hat bestimmt
keiner am Fenster gehangen, und außerdem führt am
Raucherzimmer kein Gehweg vorbei«, warf Eyjólfur ein.
»Man sieht die Person ja überhaupt nicht richtig. Ich
kann mir echt nicht vorstellen, dass das einer von uns ist. Wir
waren immer froh, im Warmen zu sein, und hätten uns nicht
grundlos draußen in der Kälte rumgetrieben.
Außerdem hat die Person irgendwas Merkwürdiges auf dem
Kopf und vor dem Gesicht. Wozu soll das gut sein?«
»Keine Ahnung. Vielleicht,
um die Männer zu erschrecken?« Dóra spulte ein
Stück zurück und stoppte den Film an der Stelle, als die
Gestalt verschwunden war und den Streifen auf der Fensterscheibe
hinterlassen hatte. »Könnt ihr euch an den Streifen auf
dem Fenster erinnern?«
Friðrikka und
Eyjólfur traten näher. »Nein.«
Eyjólfur richtete sich auf. »Bjarki meinte mal, er
hätte eingetrocknetes Blut am Fenster gefunden, aber das war
später. Er hat es beim Rauchen entdeckt und gemeint, es
sähe aus, als wäre ein Vogel gegen das Fenster geflogen.
Er hat uns gefragt, ob wir irgendein Geräusch gehört
hätten. Ich kann unmöglich sagen, wann genau das war.
Jedenfalls nicht während der Suche nach Oddný Hildur,
da waren wir kaum im Büro.«
»Das könnte also
durchaus derselbe Streifen sein«, sagte Matthias. »Wenn
ihr kaum im Büro wart, war auch niemand im Raucherzimmer. Und
wenn das Fenster nicht direkt am Weg liegt, konnte man den Streifen
nur von innen sehen.«
Friðrikka wurde blass.
»Glaubst du, es ist Oddný Hildurs
Blut?«
»Wenn die Mail vor dem
Abendessen verschickt wurde, wohl nicht. Sie hat doch mit euch
zusammen gegessen, oder?«
»Ja, aber ich kann nicht
beschwören, dass die Mail vorher gekommen ist. Könnte
auch später gewesen sein. Die Leute sind manchmal abends noch
rüber ins Büro gegangen, um zu arbeiten oder im Netz zu
surfen.« Eyjólfur setzte sich an den Computer und rief
die Dateiinformationen zu dem Film auf. »Wenn ihr wollt, kann
ich jemanden bitten, sich das mal anzuschauen und das Bild
schärfer zu machen. Dann können wir vielleicht mehr
erkennen.«
»Wen würdest du denn
fragen? Wir möchten keine große Aufmerksamkeit
erregen«, sagte Matthias.
»Bei uns arbeiten sehr
viele Informatiker, die rennen normalerweise nicht mit jedem Mist
zur Presse.« Eyjólfur zuckte die Achseln. »War
ja nur ein Vorschlag. Es würde natürlich was kosten, und
man kann nie hundertprozentig sagen, ob’s was
bringt.«
Dóra warf Matthias einen
Blick zu. »Wäre doch einen Versuch wert, oder?«
Matthias nickte.
»Okay, dann sage ich
morgen früh jemandem Bescheid.« Eyjólfur drehte
sich wieder zum Bildschirm. »Das wurde an dem Tag
aufgenommen, als Oddný Hildur verschwand, vor dem
Abendessen.« Er klickte das Fenster wieder weg. »Es
kann also nicht ihr Blut sein, es sei denn, jemand hat die
Einstellung an der Kamera geändert.«
»Scheint mir ziemlich
unwahrscheinlich.«
»Und woher soll das Blut
sonst stammen? Von einem Vogel?« Friðrikka regte sich
plötzlich furchtbar auf. »Und wenn es nicht von einem
Vogel ist, was dann? Auf diesem Video ist kein Vogel. Vielleicht
hat dieser Typ jemanden umgebracht, einen Dorfbewohner oder so, und
Oddný Hildur aufgelauert!«
»Wir sollten realistisch
bleiben.« Matthias sprach ungewöhnlich ruhig mit der
Geologin. »Der Film ist total unscharf, es gibt keinen Grund,
sich das Schlimmste auszumalen. Oddný Hildur hat sich
höchstwahrscheinlich verirrt, und dieser Film hat
überhaupt nichts mit ihr zu tun. Das Gebiet um das Camp ist
wesentlich gefährlicher als die Leute, die hier wohnen. Und
damit meine ich sowohl die Einheimischen als auch das
Team.«
»Ich hab immer gesagt,
dass die Grönländer was damit zu tun haben. Bestimmt ist
das einer von denen.« Sie zeigte mit zitterndem Finger auf
den
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