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Die eisblaue Spur

Die eisblaue Spur

Titel: Die eisblaue Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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unterirdischen Kabeln beschriftet.
»Was ist das?«
    »Ein Geburtstagsgeschenk!
Was hast du denn gedacht, Mann? Du hast doch heute
Geburtstag!« Die beiden Männer hinter der Kamera
kicherten wieder. »Willst du’s nicht
aufmachen?«
    »Nein, danke.« Der
Mann hielt ihnen den Schuhkarton hin. »Ich kann mich noch gut
erinnern, was ihr mir letztes Jahr geschenkt
habt.«
    »Hey, stell dich doch
nicht so an. Wir wussten doch nicht, dass du aufgehört hattest
zu trinken. Die meisten Leute freuen sich über
Schnaps!«
    »Hm, klar.« Der Mann
schüttelte den Karton leicht. »Nehmt das wieder mit und
schaltet die Kamera aus. Ich muss arbeiten.«
    »Stell dich doch nicht so
an. Mach schon auf! Wir haben uns echt Mühe gegeben.«
Diesmal kicherten sie nicht. »Mach das Geschenk auf,
Mann!«
    Das schonungslose Auge der
Kamera zeigte, wie der Mann resigniert aufgab. »Was ist
es?«, fragte er mit angstvoller Stimme. Er schaute kurz in
die Kamera und zerrte dann an dem Geschenkband. Offensichtlich
ärgerte er sich darüber, klein beigegeben zu haben, war
aber nicht in der Lage, dem Kameramann das Geschenk an den Kopf zu
werfen und die Männer aus dem Zimmer zu schmeißen.
Dóra verzog das Gesicht. Es musste schrecklich für den
Mann sein, an so einem Ort zu arbeiten. Bevor er den Kartondeckel
abnahm, blickte er nervös auf. Dann warf er den Deckel mit
einer schnellen Handbewegung auf den Boden und sah in den Karton.
Dóra hätte das nun Folgende am liebsten schnell
weitergespult, zwang sich aber dazu, es zum dritten Mal
anzuschauen. Der Mann stieß einen Schrei aus und starrte die
Männer verstört an. »Seid ihr verrückt?«
Seine Stimme zitterte.
    »Wieso?«, fragte der
Kameramann in gekünsteltem Tonfall, und Dóra ging davon
aus, dass sein Gesichtsausdruck ebenso unglaubwürdig war.
»Freust du dich nicht? Wir haben uns solche Mühe
gegeben!«
    »Haut ab!« Der Mann
schleuderte den Schuhkarton nicht von sich, sondern behielt ihn in
der Hand und starrte weiter hinein. »So was Abartiges
hätte ich noch nicht mal euch zugetraut.«
    »Wieso? Du hast doch so
lange versucht, ihn zu fangen! Das brauchst du jetzt nicht mehr.
Wir haben es für dich getan.«
    Der zweite Mann krähte:
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!« Sie
kicherten wieder.
    »Verpisst euch.« Der
Mann starrte immer noch in den Karton. »Ihr seid
ekelhaft.« Die Kamera zoomte den Karton näher heran. Er
war mit Papierschnipseln ausgelegt, und darauf lag ein kleiner
Sperling.
    »Jetzt brauchst du ihn
nicht mehr mit Brotkrumen anzulocken. Freu dich
doch!«
    »Ich hab nicht versucht,
ihn anzulocken. Ich hab ihn gefüttert. Damit er
überlebt.« Der Mann schaute auf, sein Gesicht war jetzt
wütend. »Kein Wunder, dass solche Arschlöcher wie
ihr noch nicht gemerkt haben, dass es hier keine Vögel gibt.
Er hat sich verflogen und brauchte Futter, um über den Winter
zu kommen. Er hätte es geschafft.«
    »Ach, sei doch nicht so
sentimental.« Die Männer kicherten und richteten die
Kamera jetzt auf sich selbst. Sie waren sich vom Typ her
ähnlich, obwohl sie ganz unterschiedlich aussahen. Typische
Arschlöcher eben. Erwachsene Ausgaben von flegelhaften Jungs.
Der eine hatte nicht mehr viele Haare, was er durch einen
ungepflegten Bart zu kompensieren versuchte. Der andere war
dunkelblond und dicker als sein kahlköpfiger Kumpel. Sein
ungewaschener Haarschopf hätte dringend einen neuen Schnitt
gebraucht. Beide trugen dunkelblaue Fliespullis mit der Aufschrift
Bergtækni, die schon länger keine Waschmaschine mehr
gesehen hatten. Sie kicherten, schnitten vor der Kamera Grimassen
und brüllten zum krönenden Abschluss noch einmal
»Herzlichen Glückwunsch zum
Geburtstag!«
    Dóra drehte sich zu
Matthias. »Diese verdammten Dreckskerle.«
    »Hm, die wirken nicht sehr
sympathisch.« Da sich Matthias mit Urteilen immer
zurückhielt, hatte Dóra keine andere Reaktion von ihm
erwartet. »Das sind jedenfalls die Bohrmänner, die wir
suchen.«
    »Ja, und ich finde, ohne
sie sieht die Welt besser aus. Guck dir die anderen Sachen auf der
Seite mal an.« Sie scrollte nach unten. »Alles
absoluter Mist, total gemein und ekelhaft. Falls das Oddný
Hildurs Knochen in den Schubladen sind, wette ich mit dir, dass
diese Typen sie eigenhändig abgeschabt
haben.«
    »Hast du dir etwa alle
Filme angeguckt?« Ein Fenster nach dem anderen flimmerte
über den Bildschirm.
    »Ja.« Dóra
ließ die Maus los. »Der hier ist ziemlich typisch
für den Rest. Die beiden machen irgendwelche Faxen.

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