Die eisblaue Spur
Ich
weiß nicht, wer das aufgenommen hat, vielleicht haben sie die
Kamera aufgestellt. Sonst ist meistens nur einer von ihnen im
Bild.« Auf dem Bildschirm sah man die Männer mit viel
Getue Zigarren rauchen. Der Witz lief darauf hinaus, dass jeder
selbst entscheiden sollte, ob in seinem Büro geraucht wurde.
Dann hätte das Raucherzimmer keine Funktion mehr und
könnte abgeschafft werden. Es folgten alberne Vorschläge,
was man stattdessen mit dem Zimmer machen
könnte.
»Ich verstehe zwar nur die
Hälfte von dem, was sie sagen, aber das wirkt doch total
harmlos.« Matthias gähnte. »Sollen wir schlafen
gehen? Wenn die Polizei mit den Ermittlungen weitergekommen ist,
müssen wir bestimmt früh raus.«
Dóra stoppte den Film.
»Die sind bestimmt nicht weitergekommen. Wir waren
schließlich tagelang im Camp und haben auch nicht viel
rausgekriegt.«
»Aber die sind besser
ausgerüstet als wir. Vielleicht haben sie Techniker oder
Spürhunde hinzugezogen. Wenn ich die Ermittlungen leiten
würde, hätte ich das jedenfalls
veranlasst.«
Dóra seufzte.
»Bitte lass mir den Glauben, dass ich morgen früh
ausschlafen kann. Bitte!«
Matthias trat näher an den
Computer. »Was ist das denn? Gehört das auch zu dem
Gag?«
Dóra rückte
ebenfalls näher. Die beiden Männer waren in kuriosen
Stellungen eingefroren, der eine mit geschlossenen Augen, die
Zigarre in der Luft, der andere, als er sich gerade nach dem
Aschenbecher reckte, einen dunklen Schweißfleck unter dem
Arm. Aber Matthias meinte gar nicht die beiden Männer, sondern
das Fenster hinter ihnen. Wenn man genau hinschaute, konnte man
dahinter einen Menschen erkennen. »Kann man das
vergrößern? Scheint eine sehr sonderbare Person zu
sein.«
Dóra starrte auf den
Bildschirm. »Ich kann’s nicht richtig erkennen.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Ist das eine Maske oder ein
Helm?«
»Vielleicht ein
Motorschlittenfahrer.« Mathias zeigte auf den Bereich hinter
der undeutlichen Gestalt. »Da ist noch was. Er scheint was am
Fenster entlangzuziehen.« Er warf Dóra einen Blick zu
und sagte schnell: »Oder sie. Das kann man nicht
erkennen.«
Dóra spulte ein
Stück zurück und kontrollierte das Datum des
Filmausschnitts. »Der wurde an dem Tag aufgenommen, als
Oddný Hildur verschwand.« Sie ließ den Film
wieder laufen, und sie sahen, wie die merkwürdige Gestalt am
Fenster vorbeihuschte. Auf der Fensterscheibe blieb ein dunkler,
ungleichmäßiger Streifen zurück. »Ob das was
mit Oddný Hildurs Verschwinden zu tun hat?«
Der Film war zu Ende, und
Matthias streckte sich. »Könnte auch was mit dem Gag zu
tun haben, das ist bestimmt einer aus dem Team.«
»Das kriegen wir
raus.« Dóra stand auf. »Friðrikka und
Eyjólfur sollen sich das mal anschauen. An dem Tag waren sie
beide im Camp, und die Website haben bestimmt alle
verfolgt.«
»Alle außer Arnar.
Der hat wohl kaum gewartet, dass die Filmchen ins Netz gestellt
werden.«
»Nein, wohl kaum. Wir
müssen unbedingt mit ihm sprechen. Wenn er uns verrät,
was ihn dazu bringen könnte, ins Camp zurückzufahren,
dann ist es ein Kinderspiel, die anderen Mitarbeiter auch zu
überzeugen.«
26.
Kapitel
22. März 2008
Friðrikka und
Eyjólfur schauten sich das Video wortlos an, bis zu der
Stelle, als die Gestalt am Fenster vorbeihuschte. »Was war
das denn?«
»Wir haben gehofft, dass
ihr uns das sagen könntet«, entgegnete Dóra. Die
ganze Gruppe stand vor dem Computer. Alvar und Bella hielten sich
etwas weiter hinten und versuchten, den anderen über die
Schultern zu schauen. »Habt ihr den Film nicht
gesehen?«
»Ich erinnere mich dunkel
daran, aber ich glaube, ich hab ihn nicht zu Ende geguckt.«
Eyjólfur massierte seine Stirn. »Einer der
Bohrmänner muss ihn kurz vor dem Abendessen gemailt haben, und
ich habe die Mail erst am nächsten Tag aufgemacht. Es war so
viel los wegen Oddný Hildur, dass ich mir den Clip nicht
richtig angeguckt habe. Jedenfalls ist mir das mit dem Fenster
nicht aufgefallen.«
»Und du?«, fragte
Matthias Friðrikka. »Hast du den Film schon mal
gesehen?«
»Nein. Mir ging’s
wie Eyjólfur, ich hatte andere Dinge im Kopf, als ich die
Mail bekommen habe. Als ich gesehen habe, dass das irgendein Scherz
ist, habe ich sie gar nicht aufgemacht. Die beiden haben
ständig solchen Mist verschickt, und ich war wirklich nicht in
der Stimmung dafür. Ich weiß noch, dass ich ziemlich
entsetzt war, wie man in so einem Moment überhaupt blöde
Witze verschicken
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