Die Eiserne Festung - 7
interessant zu sehen, ob er durchdreht oder nicht, dachte der Seijin. Cayleb und Sharleyan hatten darauf eine kleine Wette abgeschlossen. Merlin vermutete, dass die beiden sie jetzt gerade mit Hilfe eines SNARCs beobachteten, um den Wettsieger zu ermitteln. Und wahrscheinlich wird auch Nahrmahn zuschauen, ging es Merlin durch den Kopf.
Erst jetzt bemerkte er, dass Eastshare ihn über den Tisch hinweg gespannt anblickte. Das Gesicht des Herzogs verriet deutlich Ungeduld.
Bloß nicht nervös werden, Merlin!, heischte Merlin sich innerlich an und räusperte sich.
»Euer Durchlaucht, Euch wird gewiss bewusst sein«, setzte er an, »dass es einige ... Besorgnis hinsichtlich widerstreitender Treuebegriffe im Offizierskorps der Army gibt.«
»Ja, ich bin mir bewusst, dass Ihre Majestäten sich unweigerlich fragen müssen, wie viele ihrer Offiziere den gleichen Weg einschlagen werden wie Halbrook Hollow«, gab Eastshare tonlos zurück. Unwillkürlich hob Merlin die Augenbrauen ob der schonungslosen Offenheit dieser Bemerkung. Eastshare lachte rau auf.
»Ihr wart schon immer ein Ausbund an Höflichkeit, Seijin Merlin«, sagte er, »aber nur einem Idioten - und ich, das versichere ich Euch, bin keiner! - hätte entgehen können, dass einer der Gründe für Eure häufigen Besuche Maikelbergs ist, dieser Frage nachzugehen. Offen gesagt, hatte ich das erwartet. Schließlich war Byrtrym mein Schwager und ein langjähriger Freund. Ganz zu schweigen davon, dass ich meinen derzeitigen Posten ihm verdanke. Allerdings blieb ich bislang auf diesem Posten. Und da Ihre Majestäten mich stets freundlich und voller Offenheit behandelt haben, glaubte ich, Eure Berichte müssten zumindest im Großen und Ganzen eher günstig ausgefallen sein.«
Ein, zwei Augenblicke verstrichen in Schweigen. Dann zuckte Merlin mit den Schultern.
»Ich allerdings hoffte, ich hätte mich nicht allzu auffällig verhalten, Euer Durchlaucht«, sagte er, ein schiefes Grinsen auf den Lippen. Dieses Mal klang Eastshares leises Lachen schon weniger rau.
»Es war mein voller Ernst, als ich sagte, Ihr wäret immer ein Ausbund an Höflichkeit. Um ehrlich zu sein: Ich wäre regelrecht enttäuscht gewesen, hätten Ihre Majestäten nicht zumindest gewisse Vorbehalte gegen meine Person gehegt.« Nun war es an ihm, die Achseln zu zucken. »Ich habe Ihre Majestät beobachten können, seit sie zwölf Jahre alt war, Seijin Merlin. Ihr politisches Uberleben im Schatten Königin Ysbells war nicht etwa der Dummheit geschuldet, andere mit der Nase darauf zu stoßen, sie hielte sie für nicht vertrauenswürdig. Das tut sie erst, wenn sie das Gegenteil beweisen kann. Ihr seid Ihrer Majestät hierin ein vortrefflicher Diener.«
»Ich danke Euch.« Im Sitzen deutete Merlin eine Verneigung an, dann lächelte er. »Und: ja, Euer Durchlaucht, mein Urteil über Euch ist tatsächlich in jeder Hinsicht günstig ausgefallen. Auch wenn es mir nicht zustehen mag, dergleichen hinzuzufügen - aber ich habe den Eindruck, dass Ihre Majestät in ihrer Funktion als Kaiserin wie als Privatperson darüber erfreut war. Sie sieht in Euch nicht ausschließlich einen Vasallen oder ausschließlich den Kommandeur ihrer Army. Und ich glaube auch nicht, dass sie Euch nur aufgrund dieser Eurer Posten wertschätzt.«
»Gut.« Eastshares Miene wurde deutlich sanfter. »Ich kann es Ihrer Majestät nicht verübeln, wenn sie sich meinetwegen Sorgen macht. Aber ich will auch nicht so tun, als würde es mir nichts ausmachen.« Seine braunen Augen blickten betrübt zu seinem Gast hinüber. »Ich weiß, dass Ihre Majestät allen Grund hat für Misstrauen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich selbst hatte mich auch gefragt, wie Byrtrym mit diesem Loyalitätskonflikt umgehen würde. Ich wusste, dass es ihm schwerfallen würde, aber ...«
Der Herzog ließ den Satz in der Luft hängen. Das Kopfschütteln, das seine Weigerung, den Satz zu vollenden begleitete, erinnerte an einen Kämpfer, der sich von einem schmerzhaften linken Haken erholen musste. Der Blick des Herzogs verlor sich in der Ferne. Dann straffte er kaum merklich die Schultern, trank einen Schluck Wein und wandte sich mit deutlich forscherer Miene wieder Merlin zu.
»Und was nun diese Nachricht betrifft ...?«
»Nun, wenn ich auf sämtliche höflichen Beschönigungen und Weitschweifigkeiten verzichte, die ich eigentlich noch hatte einflechten wollen, Euer Durchlaucht, lautet die Kurzfassung folgendermaßen: Ihre Majestäten und Prinz Nahrmahn sind zu dem
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