Die Eiserne Festung - 7
lassen darauf schließen, dass die Stimmung dort derzeit zugunsten von Mutter Kirche umschlägt. Aber das sind nur vorläufige Aussagen. Und wie jede Nachricht, die heutzutage aus Corisande eintrifft, ist sie vermutlich ziemlich veraltet. Die Schiffsbau-Programme - zumindest in den eisfreien Häfen - scheinen gut voranzukommen, auch wenn es immer wieder Engpässe und Verzögerung gibt. Graf Thirsk macht anscheinend ausgezeichnete Fortschritte bei der Ausbildung der Mannschaften, und Tarot trägt endlich auch seinen Teil zum Programm bei. Und natürlich habe ich Seablankets Bericht über die ... Eignung des Grafen Coris hinsichtliche der Ziele von Mutter Kirche weitergegeben.« Er lächelte schwach. »Aber nichts davon hat mit dem zu tun, wonach Ihr Euch erkundigt habt, nicht wahr, Euer Exzellenz?«
»Nein, Wyllym. Hat es nicht.« Vielleicht war da ein Funken Respekt in Clyntahns Blick, weil Rayno so ruhig und gefasst blieb. Andererseits war es vielleicht auch nur Einbildung. »Also, warum gehen Sie nicht auf den Punkt ein, den ich eigentlich meine?«
»Sehr wohl, Euer Exzellenz.« Rayno deutete eine Verneigung an. »Seit meinem letzten Bericht haben wir keinerlei Fortschritte dabei erzielt, die Familien der Verräter ausfindig zu machen. Sie scheinen einfach verschwunden zu sein.«
»Ich verstehe.« Clyntahn schien Raynos Geständnis nicht zu überraschen. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, starrte über seinen Schreibtisch hinweg den Adjutant General des Schueler-Ordens an und verschränkte die Hände vor seinem beachtlichen Bauch. »Wahrscheinlich haben Sie sich bereits ausgerechnet, dass ich darüber nicht sonderlich erbaut bin, Wyllym«, sagte er, ein dünnes, kaltes Lächeln auf den Lippen.
»Selbstverständlich bin ich mir dessen bewusst, Euer Exzellenz. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass ich selbst damit beinahe ebenso unzufrieden bin wie Ihr. Würdet Ihr es vorziehen, wenn ich Euch verspreche, wir würden gewiss bald Fortschritte bei der Suche machen, wenn wir doch genau wissen, dass es nicht so kommen wird?«
Einen Moment lang funkelten Clyntahns Augen. Seine Nasenflügel zitterten, so tief atmete er durch.
»Nein, das dann doch nicht«, gestand er ein, und genau so war es auch.
Einer der Gründe, weswegen Clyntahn den Erzbischof von Chiang-Wu so schätzte war, dass dieser nie log, um seinen eigenes Allerwertesten zu retten. Auch ein Scheitern verschwieg er nie. Clyntahn wusste von Gelegenheiten, in denen Rayno Misserfolge abgemildert dargestellt hatte, indem er bestimmte Fakten nicht zum unpassenden Zeitpunkt aufs Tapet brachte. Aber platte Lüge gab es nicht. Clyntahn war schon mehr als genug Menschen begegnet, die dumm genug waren, es mit letzterer Technik zu versuchen. Sie schienen einfach nicht zu bedenken, dass der Großinquisitor eine Lüge früher oder später auch als solche entlarven würde - und die Konsequenzen dann ungleich unschöner ausfielen.
Clyntahn hatte noch andere Gründe, Rayno zu schätzen. Dazu gehörte, dass der Erzbischof seine Treue schon weidlich unter Beweis gestellt hatte. Mehr noch, Clyntahn wusste, dass Rayno sich bewusst war, selbst nie zum Großinquisitor aufzusteigen. Dafür hatte er zu viele Gegner und nicht genug Einfluss, dagegen etwas zu unternehmen. Das bedeutete, dass das Amt, das er derzeit bekleidete, das höchste war, das er sich erhoffen konnte ... und genau jenes Amt würde er gewiss verlieren, sollte Clyntahn jemals die Macht entgleiten oder Rayno seine Unterstützung entziehen. Rayno hatte also jeden nur erdenklichen Grund, seinem Vorgesetzten mit unerschütterlicher Treue zu dienen.
Abgesehen davon war der Adjutant General außerordentlich gut in dem, was er tat. Gewiss, Samyl Wylsynns Familie war ihm durch die Finger geschlüpft, unmittelbar vor den Stadtmauern von Zion, aber das war nicht Raynos Schuld. Er hatte die Frau und ihre Bälger durch immerhin drei Inquisitoren observieren lassen, allesamt Männer, denen Rayno vertraute ... und alle drei waren am gleichen Abend ebenfalls verschwunden. Clyntahn war zu dem Schuss gekommen, mindestens einer dieser Inquisitoren müsste gleichfalls ein Verräter gewesen sein. So ungeheuerlich diese Vorstellung auch war, das war die einzige Erklärung für das spurlose Verschwinden Lysbet Wylsynns, die ihm einfallen wollte. Clyntahn hatte die Personalakten aller drei verschwundenen Männer genauestens untersucht. Aber falls wirklich einer von ihnen zum Verräter geworden sein sollte, fand sich darauf in
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