Die Eiserne Festung - 7
»Fahren Sie fort!«
»Also, Sir, etwa um diese Zeit hatte der Offizier vom Nachtdienst den Eingang einer langen Nachricht von einem der Vikare verzeichnet. Tatsächlich war sie sogar lang genug - und anscheinend auch wichtig genug -, dass der Vikar, der sie abschicken wollte, sie persönlich zum Anbau gebracht hat ... und das bei diesem Wetter, Sir.« Phandys zuckte mit den Schultern. »Ich weiß ja, dass das Wetter um diese Jahreszeit immer ziemlich unschön ist, aber letzte Nacht war es besonders schlimm. Auf dem Weg von der Kolonnade bis zum Anbau muss er beinahe erfroren sein. Und da die Annahmestelle um diese Zeit normalerweise geschlossen ist, musste der Offizier vom Dienst eigens jemanden losschicken, der dem Vikar öffnete.«
»Wollen Sie damit sagen, Captain, dass jemand, während die Annahmestelle geöffnet und den Eingang dieser Nachricht verzeichnet wurde, die Reservierung eines Sitzplatzes auf dem Eissegler, für eine namenlose Person, in die Warteschlange geschmuggelt hat?« Kahrnaikys klingt nicht ganz so ungläubig, wie ich das erwartet habe, ging es Phandys durch den Kopf.
»Sir, ich denke, genau das ist passiert«, gestand der Captain. Er wirkte äußerst unglücklich. »Major, ich weiß, dass wir offiziell nicht alles wissen sollen, was hier vor sich geht. Und ich will weiß Langhorne nicht meine Nase in Angelegenheiten stecken, die mich nichts angehen! Aber das alles ergibt für mich überhaupt keinen Sinn, nicht so, wie es wohl abgelaufen sein muss, und ... na ja ... unter diesen Umständen ...«
Er sprach nicht weiter, und Kahrnaikys schenkte ihm ein schmales Lächeln. Immerhin ... irgendwie ... doch zustimmend ... hoffe ich, dachte Phandys.
»Ich verstehe, Captain. Und ich verstehe auch, in welcher ... misslichen Lage Sie sich befinden. Aber sagen Sie mir - welcher Vikar hatte zu einer derart gottlosen Zeit eine so auffallend lange Nachricht abzusenden?«
Kurz senkte sich Stille über das Büro, und Phandys hatte mit einem Mal das Gefühl, genau vor einem gähnenden Abgrund zu stehen. Ihm war klar, jetzt gab es kein Zurück mehr. Doch in Wahrheit hatte er das schon gewusst, bevor er den Mund aufgemacht hatte. So straffte er nur die Schultern und blickte Kahrnaikys fest in die Augen.
»Das war Vikar Hauwerd, Sir«, antwortete er leise, und in Kahrnaikys' Augen blitzte dunkles Feuer auf.
»Ich verstehe.« Einen endlos scheinenden Moment blickte der Major Phandys tief in die Augen, dann nickte er kräftig, schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. Dabei griff er nach seinem Waffengurt.
»Captain, falls Sie den Eindruck gehabt haben sollten, ich hätte an Ihrem Urteilsvermögen gezweifelt, bitte ich um Verzeihung! Sie haben genau das Richtige getan. Und jetzt kommen Sie mit!«
Samyl Wylsynn griff nach seiner Tasse mit heißer Schokolade, umschloss sie mit beiden Händen und starrte über den Rand des Trinkgefäßes seinen Bruder an, der ihm am Frühstückstisch gegenübersaß. Samyls Blick war sehr nachdenklich. Nun neigte er auch noch den Kopf ein wenig zur Seite, während er über Hauwerds Mienenspiel nachdachte.
»Würdest du mir dann jetzt erzählen, warum du mich heute zum Frühstück zu dir gebeten hast?«, fragte er. Hauwerd blickte von dem Würstchen auf, das er in den letzten zehn Minuten appetitlos auf seinem Teller hin und her geschoben hatte. Samyl lächelte ihn sanft an. »Ich speise stets gern zusammen mit meinem Lieblingsbruder, Hauwerd. Ach, du bist ja mein einziger Bruder, wo ich so darüber nachdenke! Aber eigentlich stehst du ja nicht gerade gern zu so nachtschlafender Zeit auf. Ich jedenfalls muss immer fast einen Knüppel schwingen, damit du dich mal dazu bequemst, mir beim Frühstück Gesellschaft zu leisten. Und wo wir gerade dabei sind ...« Mit dem Kinn deutete er auf das gabelgeschundene Würstchen, das gerade ein weiteres Mal über den Teller seines Bruders wanderte. »Ich glaube, du hast bislang noch keinen Bissen gegessen. Da steht mir doch ein gewisses Maß an Neugier zu, findest du nicht?«
»War das so offensichtlich?« Hauwerd grinste zur Antwort schief.
»Ja, eigentlich schon«, erwiderte Samyl. Kurz schwieg er und nippte an seiner Schokolade, dann holte er tief Luft. »Könnte es vielleicht sein, dass deine Kontaktleute dir etwas mitgeteilt haben, was vermuten lässt, dass wir nicht mehr allzu häufig gemeinsam frühstücken werden?«
Hauwerds muskulöse Schultern verspannten sich. Er wollte schon antworten. Dann aber zwang er sich zur Ruhe und
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