Die Eiserne Festung - 7
die unglückseligen Assoziationen verschwinden, die dieser Name bei sehr, sehr vielen Corisandianern unweigerlich weckt. Oder auch bei mir selbst. Dabei bin ich ja nun nicht einmal in Corisande geboren.« Gairlyng schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, die Entscheidung für diesen Namen hat so viele Aspekte und ist derart komplex, Mein Lord, dass jeder, der behauptet, er verstehe alle Implikationen, sich zumindest des Selbstbetrugs schuldig macht. Aber ich hatte einige wichtige Gründe dafür, Erzbischof zu werden, vier an der Zahl.
Zunächst einmal bin ich, wie bereits gesagt, der Ansicht, Mutter Kirche ersticke schon viel zu lange in der Korruption und Verderbtheit ihrer derzeitigen Hierarchie. Von innen heraus kann sie nicht mehr reformiert werden. Reformen, sollten sie jetzt doch noch angegangen werden, geschähen nur unter dem Zwang einer äußeren Bedrohung. Meines Erachtens ist die Kirche von Charis genau diese äußere Bedrohung - dieses von außen kommende Verlangen nach Veränderung.
Der zweite wichtige Grund ist Folgender: Es geht mir darum, Glaubensverfolgung und Gegen-Verfolgung zu verhindern oder zumindest zu lindern. Denn Verfolgungen dieser Art befürchte ich in dem aufbrechenden Konflikt. Nur selten ist die Leidenschaft des Menschen so entfacht, wie wenn es um Belange der Seele geht, Mein Lord! Sie persönlich mögen noch so priesterlich sein - und Erzbischof Maikel noch so sanft -, aber Gewalt, Rache und Gegen-Rache werden schon bald ihren Part im Geschehen hier und anderswo spielen. Das soll mitnichten eine Anklage gegen Sie sein, nicht einmal eine Anklage gegen die Kirche von Charis. Denn diesen Konflikt hat die ›Vierer-Gruppe‹ begonnen, nicht Sie. Die ›Vierer-Gruppe‹ hat Charis fünf andere Fürstentümer auf den Hals gehetzt. Aber die Ereignisse in Ferayd haben bewiesen, wie schnell ein Glaubenskonflikt in Gewalttätigkeiten umschlagen kann. Ich möchte nicht erleben müssen, dass eine Vierer-oder-wie-viel-auch-immer-Gruppe hier in Corisande ihren Anfang nimmt. Als man mir dieses Amt angeboten hat, habe ich darin die beste Gelegenheit gesehen, derartige Auswüchse zumindest einzudämmen, hier in diesem Fürstentum, das mir zur Heimat geworden ist.«
Er hielt inne und blickte Ahdymsyn fest an, bis sein Gegenüber langsam und bedächtig nickte.
»Drittens«, griff Gairlyng seine Aufzählung wieder auf, »weiß ich eines: Es gibt unter den Priestern in Corisande deutlich mehr, die hinsichtlich des Zustandes von Mutter Kirche gleicher Meinung sind wie ich, als jemand im Tempel oder in Zion sich auch nur träumen ließe. Sie selbst sind Zeuge des Reformwillens in der Priesterschaft geworden, in Charis wie in Emerald; ich kenne ihn auch aus Chisholm. Der Klarheit halber spreche ich es trotzdem noch einmal aus: Die ›Vierer-Gruppe‹, ja, das Vikariat als Ganzes, hat einen unfassbar schweren Fehler begangen. Sie hat angenommen, dass sie nur die Stimmen der Kritik aus dem Inneren der Kirche unterdrücken müsste, um dafür zu sorgen, dass diese Stimmen und die Reformforderungen an Kraft verlieren. Sie hat daher die Macht der Inquisition dazu benutzt, Forderungen nach Reformen notfalls auch mit Gewalt zu unterdrücken. Hierin aber täuscht sich die ›Vierer-Gruppe‹. Ich könnte als Beispiele die Forderungen von Pastoren hier in der Stadt nennen. Bischof Kaisi weiß schon jetzt über einige von diesen Pastoren Bescheid. Aber ich hoffe, Mein Lord, Sie werden die Gelegenheit finden und schon bald einer Messe in der Kirche Sankt Kathryn beiwohnen. Wenn Pater Tymahn spricht, werden Sie eine Ihnen bestens vertraute Stimme wiedererkennen. Aber ich hoffe, Sie werden dann auch erkennen, dass es eine corisandianische Stimme ist, die Sie hören, nicht die eines Mannes, der sich selbst für einen Charisianer hält.«
Wieder hielt er inne und hob fragend eine Augenbraue. Erneut nickte Ahdymsyn, dieses Mal mit mehr Nachdruck.
»Eine berechtigte Unterscheidung, die ich auch bedenken werde«, bemerkte der Bischof. »Andererseits habe ich mich selbst, als alles begann, kaum als Charisianer gesehen. Ich könnte mir vorstellen, dass zu gegebener Zeit besagter Pater Tymahn selbst eine ähnliche Wandlung durchlaufen mag.«
»Das mag sein, Mein Lord.« Gairlyngs Tonfall verriet, dass er diese Wandlung eher für unwahrscheinlich hielt. »Ich will ganz ehrlich sein«, fuhr Gairlyng fort, »und zugeben, dass für eine beachtliche Zahl von Corisandianern eine der größten Schwierigkeiten Prinz Hektors Ermordung
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