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Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See

Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See

Titel: Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meljean Brook
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regnete, war das Segeltuchverdeck aufgeklappt, und der Wagen war offen. Der Kohlenbehälter stand auf dem Beifahrersitz, weil Newberry den Brennstoff während der Fahrt eingefüllt hatte.
    Newberry wurde rot und brummelte etwas, während er den Behälter auf die Holzplanken stellte. Mina zwängte ihre Röcke durch die Türöffnung des Blechrahmens, während er vorn um den Wagen herumging. Sie zog ihre Röcke auf ihre Knie hoch, und die Wangen des Konstablers brannten erneut, als er sich auf seinen Sitz schwang. Der Wagen neigte sich, und die Bank knarrte unter seinem Gewicht. Sein Bauch war zwar straff, berührte jedoch beinahe die Lenkwelle.
    Newberrry schloss die Dampfklappe. Das Zischen hörte auf, und der Wagen setzte sich langsam in Bewegung. Mina seufzte. Obwohl der Lärm der Stadt nie aufhörte, verlangte es die Höflichkeit, dass die Bewohner eines Privatanwesens nicht mit Motorgeräuschen belästigt wurden. Newberry, der stets höflich war, wollte warten, bis sie die Auffahrt verlassen hatten, bevor er den Motor voll auf Touren brachte.
    »Wir sind in Eile, Konstabler«, rief sie ihm in Erinnerung.
    »Ja, Sir.«
    Er zog den Gashebel zurück, und Minas Zähne klapperten, als der Wagen davonschoss. Rauch stieg in einer dicken, schwarzen Wolke vom Heck auf und versperrte die Sicht. Wirklich schade . Sie hätte gern den Ausdruck der Dienerschaft gesehen, als der Motor ihnen ins Gesicht hustete, doch sie und Newberry passierten das Tor, bevor die Luft wieder klar war.
    Auf der breiten Piccadilly Street war nur wenig Verkehr. Die Fahrt wurde ungemütlicher, nachdem sie den Haymarket überquert hatten. Die Wohnblöcke standen nun dicht an dicht an der Straße, die Fenster wegen des Lärms geschlossen. Die Nacht verbarg das rußige Grau, das sämtliche Gebäude in London bedeckte, und kaschierte den Rauch, der im Laufe des Tages eine Dunstglocke gebildet hatte – verstärkt noch durch die Brände, die in der Vorwoche im Armenviertel von Southwark gewütet hatten. Obwohl die Feuersbrunst auf der anderen Seite der Themse beinahe erloschen war, schwelte es noch an manchen Stellen. Wenn heute Nacht Nebel aufsteigen würde, wären die Gaslaternen entlang der Straßen allesamt nutzlos. Und genauso die Laternen, die auf beiden Seiten der Vorderräder des Zweisitzers hingen.
    Das Rattern des Wagens und das Motorengeräusch machten es schwer, etwas zu verstehen, und eine Unterhaltung war beinahe unmöglich, während Newberry auf die Viktrey Road starrte, die Handelsstraße, welche die Horde vom Turm zu den Docks angelegt hatte. Die Straße war einst nach Londons darga benannt gewesen – doch vor neun Jahren, als Revolutionäre die Straße entlangmarschierten, hatte man die Schilder, die den Namen des Anführers der Horde trugen, zerstört. Jemand hatte stattdessen »Viktrey« hineingekratzt, und die Straße hatte den Namen behalten. In den letzten paar Jahren waren die verunstalteten Schilder durch offizielle ersetzt worden, doch man hatte die falsche Schreibweise beibehalten.
    Obwohl kein Verkehrschaos herrschte, war die Straße noch immer verstopft. Newberry bremste ab, als eine Spinnen-Rikscha vor ihnen einscherte. Die Füße des Fahrers traten rasch auf die hydraulischen Kolben, die das Fahrzeug antrieben, das wie ein Krebs über die unebene Straße kroch. Die Fahrgäste klammerten sich mit weißen Fingerknöcheln an dem Fahrzeug fest, als die Rikscha nach links schoss und gerade noch einen Zusammenstoß mit zwei Frauen vermeiden konnte, die einen Pedal-Buggy fuhren. Zu Newberrys Rechter schob sich ein riesiges Fahrzeug die Mittelspur entlang, dessen Ladefläche voller blökender Schafe war.
    »Dieser Laster ist kaum an uns vorbeigekommen!«, rief Mina über den Lärm hinweg.
    »Kein Wunder – er hat eine Entlüftung von der Größe des Hinterns der kastilischen Königin!« Je lauter Newberry redete, desto unanständiger wurde er. Mina fuhr gern mit ihm. »Mit genug Platz zwischen ihm und dem Motor, damit er, wenn er schneller fährt, nicht geröstet wird!«
    Mina hätte sich gerne ein wenig rösten lassen. Ihr Satinkleid mochte passend für einen Ballsaal sein. Doch selbst mit dem Wollumhang drang die feuchte Kälte durch. Ihr Kleid – auf Drängen ihrer Mutter und von Geld, das man für tausend andere Dinge sinnvoller hätte verwenden können, erworben – war wie die Kerzen im Salon ihrer Mutter: reine Show. Minas Unterwäsche darunter war geflickt und abgetragen.
    »Zumindest wäre es dann wärmer.«
    Newberry

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