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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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drüben. Bis morgen um zwei. Viel Spaß mit den Tanten. Viel Spaß beim Prügeln.«
    Er drehte sich mit einem Ruck um und lief die Hecke entlang zum Eingang zurück. Emily und Simon schauten ihm nach.
    »Komischer Typ«, sagte Simon.
    »Mein Fahrrad ist auch da«, sagte Emily nach einer langen Pause. »Wird hoffentlich nicht so schlimm nachher mit deinen Brüdern.«
    »Ist schon okay.«
    »Und morgen...«
    »Wir probieren es. Wenn’s zu schwierig ist, lassen wir’s. Egal was Marcus sagt.«
    »Dann bis morgen.«
    »Bis morgen.«
    Simon spazierte langsam auf der Straße weiter. Emily rannte in die entgegengesetzte Richtung. Es war schon sehr spät.

EROBERUNG

3
    U m halb drei Uhr war Emily bei der Burg. Das Mittagessen hatte sich endlos in die Länge gezogen, und die Tanten hatten ewig gebraucht, um sich zu verabschieden. Sie war erhitzt, aufgeregt und genervt. Und kam viel zu spät. Der Himmel lastete schwer und grau über der Landschaft. Als sie die letzten Bäume hinter sich gelassen hatte, sah sie Simon und Marcus genau an der Stelle warten, wo sie sich am Tag vorher getrennt hatten. Schweigend und etwas bedrückt standen sie beieinander, Simon hatte über der Schulter einen großen Rucksack hängen, Marcus rauchte eine Zigarette. Er hustete, als sie näher kam, und sah bleich und krank aus, aber als er Emilys tadelnden Blick bemerkte, nahm er schnell noch einen Zug. Das Ende seiner Kippe glühte rot auf, erstarb dann zu Asche.
    »Wollt’s nur mal ausprobieren«, sagte er trotzig.
    »Mach ruhig«, sagte Emily. »Wenn du dich umbringen willst.«
    »Genau das hab ich vor.« Er machte eine Pause. Emily schaute zu Simon. Er nickte ihr mit einem kurzen Gruß zu.
    »Hast wohl noch nie eine geraucht?«, sagte Marcus.
    »Nein.«
    »Was? Noch nie?«
    »Nein.«
    »Glaub ich dir nicht. Hast du bestimmt schon. Ich seh doch, dass du rot wirst.«
    »Nein, hab ich nicht. Und jetzt hör auf damit.«
    »Ich hab das Seil dabei«, sagte Simon.
    »Ich wette, er hat schon mal eine geraucht.« Marcus ließ nicht locker. »Hast du doch, oder?«
    Simon ging nicht darauf ein. »Ich hab’s mir von meinem Vater geschnappt. Der hat es früher für seinen Anhänger gebraucht. Ich denk mal, es ist lang genug.«
    Er machte seinen Rucksack auf, damit Emily hineinschauen konnte. Ein dickes braunes Seil war darin.
    »Wie die in der Turnhalle«, sagte Emily.
    »Ja,’n bisschen dünner. Kommst du da in der Schule ganz hoch?«
    »Fast.«
    »Und du?« Simon hielt Marcus den offenen Rucksack unter die Nase. »Kommst du da hoch? Wenn du’s nicht kannst, lassen wir’s besser gleich.«
    Von der Zigarette war nur noch ein heruntergebrannter Stummel übrig. Marcus warf ihn in den Schnee und zertrat ihn. »Klar kann ich das. Hätt das doch sonst nicht vorgeschlagen. Dann sollten wir mal besser. In ein paar Stunden ist es dunkel.«
    »Hat einer von euch ihn gesehen? Ich meine Harris.« Emily spähte zu dem dunklen Schatten der Hecke hinüber, die sich neben dem Weg entlangzog.
    »Schon klar, wen du meinst«, antwortete Simon gereizt. Wahrscheinlich war er genauso aufgeregt wie sie. »Nein. Aber erst mal müssen wir durch die Hecke. Und passt bloß auf!«
    »Wo machen wir das am besten?«
    »Weiter vorne. Ganz nah am Graben. Müssen wir danach nicht so weit rennen.«
    Simon zog den Rucksack zu und hängte ihn sich wieder über die Schulter. Dann marschierten sie los. Als sie zum Eingangstor kamen, duckten sie sich, schlüpften nacheinander vorsichtig daran vorbei und ließen ihre Blicke über die Schneefläche hinter dem Gitter schweifen. Nichts regte sich dort. Alles war ruhig. Sie gingen weiter an der Hecke entlang, nur manchmal wichen sie den tiefsten Schneeverwehungen aus. Emily spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals klopfte, dabei hatte sie bis jetzt noch nichts Verbotenes getan. Sie stapfte Simon hinterher, dicht gefolgt von Marcus mit seinen unregelmäßigen, schlurfenden Schritten. Ein paarmal hörte sie, wie sein Schnaufen von einem trockenen Husten unterbrochen wurde. Er hatte eine fürchterliche Laune. Vielleicht war er auch so nervös wie sie.
    Sie überquerten den Parkplatz, kletterten dann über ein Gatter und machten einen kleinen Umweg über den nächsten Acker mit seinen vereisten Furchen. Die Burghecke führte rechts weiter und Simon folgte ihrem Verlauf jetzt so dicht wie möglich. Schließlich kamen sie zu einer Stelle, an der die Hecke dünn und durchlässig war. Simon streifte den Rucksack ab, kniete sich in den Schnee und spähte

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