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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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durch die Löcher zwischen den Ästen. Die anderen beiden taten es ihm nach.
    »Nichts zu sehen«, flüsterte Simon. »Wir sind noch nicht entdeckt worden – und wenn du damit aufhörst, wird es auch so bleiben.« Das war an Marcus gerichtet, der mit der Hand vor dem Mund wieder hustete.
    »Nur ein kleines Kratzen in meinem Hals.«
    »Kommt von deiner blöden Zigarette«, sagte Emily.
    »Ja, schon gut.«
    »Okay.« Simon packte den Rucksack und zwängte ihn durch die Hecke. »Ich geh als Erster. Wartet, bis ich am Graben bin. Wenn alles klar ist, geb ich euch ein Zeichen. Dann kommst du, Emily. Und danach Marcus. Okay?«
    Er gab dem Rucksack einen letzten Stoß und schlängelte sich dann selbst durch die Hecke, pflügte sich durch den Schnee. Wenn ihm eine Wurzel oder ein Zweig in die Quere kam, hörte man ihn leise fluchen. Dreißig Sekunden später stand er auf der anderen Seite, ein kurzer Blick in alle Himmelsrichtungen und schon war er auf und davon. Emily und Marcus beobachteten ihn.
    »Scheint ihm Spaß zu machen«, sagte Marcus.
    »Er ist am Graben!«
    Simon drehte sich um und gab ein Zeichen. Sofort begann Emily, sich auf dem Bauch durch das Loch in der Hecke zu schieben. Dann hatte sie es geschafft und rannte durch den Schnee, die ganze Zeit ängstlich darauf gefasst, plötzlich die grässliche Stimme des Burgwächters zu hören oder ihn aus seinem Versteck auftauchen zu sehen.
    »So weit alles klar«, sagte Simon, als sie neben ihm am Rand des Grabens in den Schnee sank. Er winkte Marcus. Emily blickte nach vorne und stellte fest, dass Simon den Weg gut gewählt hatte. Sie befanden sich genau auf der richtigen Seite der Burg: Sie konnte den langen Riss sehen, der sich durch die Mauer bis zu der Öffnung zog. Aber bis zu dem Loch war es schrecklich weit hoch. Sie schüttelte den Kopf über die Undurchführbarkeit ihres Plans.
    Marcus tauchte neben ihnen auf, sein Atem ging leise keuchend. Kaum hatte er sich auf den Bauch geworfen, zeigte Simon auch schon auf den Burggraben. »Sehr steil hier«, sagte er. »Aber wir müssen es versuchen. Wenn wir groß rumrennen, fällt das zu sehr auf.«
    Den Abhang runterzuschlittern, war leicht, aber der Gegenanstieg war hart. Sie mussten sich immer wieder festkrallen und hochhieven, ihre klammen Finger fanden nur mühsam Halt an den steif gefrorenen Grasbüscheln unter dem Schnee. Als sie es geschafft hatten, waren es nur noch fünfzig Meter über die freie Fläche bis zur Burgmauer. Noch immer rührte sich ringsum nichts.
    Simon grinste. »Dann mal weiter«, sagte er.
    Alle drei rannten sie los, was das Zeug hielt, und kamen gemeinsam bei der Mauer an.
    »Wir haben Glück, dass es nicht geschneit hat«, sagte Marcus. »Unsere Spuren vermischen sich mit denen von gestern. Fällt nicht weiter auf. Okay – dann kannst du jetzt starten, Simon.«
    »Lass mich erst mal durchschnaufen. Und dann muss ich mir die Route überlegen.«
    Simon zerrte das Seil aus dem Rucksack, bis ein Haufen sich durcheinanderwindender brauner Schlangen auf dem Boden lag. Er suchte nach dem Ende und zog es schließlich heraus. Ein Stück Schnur war sorgfältig daran festgebunden. Simon schlang sich die Schnur mehrmals um die Hüfte, machte einen komplizierten Knoten und achtete darauf, dass das Seil am Rücken lose herabhing. Marcus und Emily schauten fasziniert zu.
    »Ist das Seil nicht zu schwer für dich?«, fragte Emily.
    »Geht schon, solang es einer von euch hält und mir langsam davon abgibt, sodass ich nicht das volle Gewicht abkriege oder es sich verheddert oder so was. Einer von euch macht das und der andere steht Schmiere. Sobald nur das geringste Zeichen von Harris oder sonst wem zu sehen ist, sagt ihr mir das sofort, oder es erwischt uns alle.«
    Marcus erklärte sich bereit, das Seil zu halten, und Simon traf die letzten Vorbereitungen. Er überprüfte noch einmal, ob das Seil frei und lose herabhing, dann reckte er die Arme hoch und setzte die Hände in weitem Abstand auf das vereiste Mauerwerk. Seine Finger gruben sich in die Spalten zwischen den Quadern und fanden Halt. Danach schlug er erst mit dem einen, dann mit dem anderen Stiefel ein gutes Stück über dem Boden gegen die Mauer und brach dabei Eissplitter heraus, sodass er die Vorderkanten seiner Schuhe in einer kleinen Vertiefung aufsetzen konnte. Als er dann mit beiden Stiefeln einen sicheren Halt gefunden hatte, streckte er sich höher und suchte mit den Fingern nach neuen Unebenheiten, an denen er sich festhalten konnte.

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