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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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noch ab. Sie beziehen nur ihre Posten, falls wir einen Ausbruchsversuch machen sollten.«
    »Er hat über Funk irgendwas angeordnet«, vermutete Emily. »Was glaubt ihr? Vielleicht kommen sie mit Leitern?«
    »Hoffentlich nicht.«
    Fünfundzwanzig Minuten vergingen, dann war klar, dass Emily recht hatte. Marcus, Simon und sie huschten während dieser Zeit immer wieder den Mauerumgang entlang und spähten durch die Fenster zu den Belagerern hinunter. Sie passten sehr genau auf, dass sie nicht gesehen werden konnten, aber Emily wurde ein paarmal von unten entdeckt. Einmal winkte ein Polizist sogar spöttisch zu ihr herauf und sie fühlte sich plötzlich ganz klein und lächerlich. Blitzschnell duckte sie sich und schlich weiter an der Mauer entlang. Den Schal wickelte sie danach noch fester um ihr Gesicht.
    Nach dem Wortwechsel mit der Frau hatte Emilys Haltung sich radikal geändert. Sie glaubte jetzt nicht mehr daran, dass es vielleicht doch besser wäre, sich mit der Polizei zu verständigen. Sie wollte Marcus nicht mehr überreden, sich irgendeinem Erwachsenen anzuvertrauen. Sie hatte nur noch das eine Ziel, bis zur Dunkelheit durchzuhalten und dann von hier zu fliehen, damit Marcus noch eine Chance bekam. Dafür kämpfte sie jetzt fast mit der gleichen Energie wie Simon.
    Seit der Feind direkt vor der Burg stand, war Simon mehr und mehr zum Anführer ihrer kleinen Gruppe geworden. Er war schnell und unermüdlich, wenn es darum ging, die Patrouillengänge entlang der Mauern zu machen, und er behielt immer einen klaren Kopf. Seine Befehle wurden sofort befolgt. Marcus wurde von ihm als Beobachtungsposten auf den Turm geschickt, wo er fast das gesamte Burggelände überblicken konnte. Emily musste aus Marcus’ Vorratslager Proviant herbeischaffen, der schnell nebenbei gefuttert werden konnte. Simon verabredete mit ihnen auch ein paar Notsignale. Emily stieg gerade mit einer Packung Schokokekse in der Hand die Wendeltreppe hinunter, als sie drei kurze Pfiffe hörte. Das bedeutete, dass sie sofort zu Simon in die Vorhalle musste. Sie rannte, so schnell sie konnte, den Mauerumgang entlang, an der Küche vorbei, und stieß in der Vorhalle fast mit Marcus zusammen, der den Turm heruntergesaust kam. Simon stand am Fenster. Er war ebenfalls außer Atem.
    »Jetzt ist es so weit«, sagte er. »Sie kommen mit den Leitern.«
    In der Ferne hatte sich vor die kleinen geparkten Autos ein riesiges rotes Gefährt geschoben. Ein Feuerwehrauto. Vier Feuerwehrmänner zogen zwei lange, ausziehbare Leitern vom Dach herunter.
    Emily sank das Herz in die Kniekehlen. »Was machen wir denn jetzt?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung.« Simons Stimme klang bedrückt. »Da können wir nicht mehr viel tun.«
    »Einfach umstoßen«, sagte Marcus.
    »Was?«
    »Warten, bis die Männer ziemlich weit hochgeklettert sind, und dann die Leitern umstoßen. Mit einem langen Stock. Aber wir können dafür auch ein Brett hernehmen. Dagegen sind sie hilflos.«
    »Marcus – wir können die Leitern nicht umstoßen, wenn Leute darauf hochklettern«, sagte Simon.
    »Warum nicht?«
    Simon blickte Marcus an. »Aber«, fuhr er fort, »wir könnten das machen, wenn sie die Leitern an die Mauern anlehnen wollen. Bevor sie anfangen, darauf hochzuklettern. Ist einen Versuch wert. Haben wir noch Bretter übrig?«
    »Eines sitzt ganz locker.«
    »Das muss reichen. Reiß es raus und bring’s her. Nein, zu unserem Mauerloch.«
    »Warum dahin?«
    »Da sind wir reingekommen, da werden sie’s auch versuchen. Mach schnell.«
    Marcus verschwand die Wendeltreppe hinunter. Simon drehte sich zu Emily. »Ich hatte recht«, sagte er. »Der Typ ist wahnsinnig.«
    »Wärst du das nicht auch, wenn dein Vater dich schlagen würde?«
    Sie beobachteten, wie die Leitern langsam immer näher kamen. Jede wurde von zwei kräftigen Feuerwehrmännern getragen, die quer über das Schneefeld marschierten, auf einem inzwischen breit ausgetretenen Pfad, zur Brücke und zum Torhaus. Nach einer kurzen Begrüßung gab der Einsatzleiter ihnen seine Befehle. Eine der Leitern wurde daraufhin zur Burg weitergetragen; die andere blieb an Ort und Stelle. Die zwei Feuerwehrmänner legten sie behutsam in den Schnee, richteten sich wieder auf, dehnten und streckten sich.
    »Seltsam«, sagte Emily. »Nur die eine Leiter...«
    Simon fluchte. »Ich weiß schon, was die vorhaben. Sie wissen, dass wir sie beobachten. Sie greifen nur mit einer Leiter an und sobald wir ihnen den Rücken zugekehrt haben, rücken sie

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