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Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Titel: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.D. Miller
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Sprichwörter fällig war. »Käse umsonst gibt es nur in der Mausefalle.«
    Der Geruch nach Katzenfell, schimmligen Enzyklopädien und gammliger Wurst drang aus seiner Wohnung und folgte mir, als ich die Treppe hinabstürmte, immer zwei Stufen auf einmal.
    *
    Wenn ich die Augen schließe, kann ich den Abend auf der Innenseite meiner Lider ablaufen lassen, als wäre er einer dieser alten, körnigen Amateurfilme aus den siebziger Jahren.
    Kaum trat ich aus dem Haus, wurde es dunkel, und der kalten Luft war anzumerken, dass Regen drohte. Auf dem Weg in Richtung Bulwar sah ich zwei Männer im roten Schiguli. Sie sahen nicht wie die aus, die das Kind gemalt hätte, sobald es mit dem Auto fertig war. Mein Blick kreuzte sich mit den Blicken von einem der Männer, aber ich sah rasch wieder beiseite, wie man es auch in London macht, ganz besonders aber in Moskau, wo man durch Torbögen und auf Parkplätzen ständig irgendetwas sieht, ehe einem klarwird, dass man es besser nicht sähe. Ich eilte zur nächsten Straßenecke, um mir ein Taxi zu rufen, streckte den Arm aus, und der zweite oder dritte Wagen hielt. (In Russland habe ich nie ein eigenes Auto besessen. Bei meiner Ankunft hatte Paolo mir geraten, sofort mit dem Fahren anzufangen, denn wenn ich wartete, bis ich mich mit der Anarchie, dem Eis und der Verkehrspolizei auskannte, würde ich mich nie mehr trauen, und er hat recht behalten. Allerdings bietet das inoffizielle Taxinetz eine erstaunlich sichere Alternative der Fortbewegung, solange man nur zwei simple Regeln beachtet: Steig zu keinem Fahrer ins Auto, wenn er einen Freund dabeihat, und erst recht nicht, wenn er betrunkener ist, als du es bist.)
    Ich glaube, er war Georgier, mein Fahrer an jenem Abend. Auf dem Armaturenbrett klebten zwei Mini-Ikonen, kleine Mütter Gottes, was stets bewirkte, dass ich mich sicherer, aber auch bedrohter fühlte – weil es unwahrscheinlicher war, dass mir die Kehle durchgeschnitten wurde, während ich mein Leben zugleich jemandem anvertraute, der einen Blick in den Rückspiegel oder Tritt auf die Bremse eher für Gottes als für seine eigene Angelegenheit hielt. Ich griff nach dem Sicherheitsgurt, was dem Fahrer prompt eine strenge Warnung über die Gefahren des Gurttragens und eine Beteuerung seiner Fahrkünste entlockte. Er war Flüchtling, geflohen vor einem dieser dreckigen kleinen Kriege, die beim Kollaps des Reichs des Bösen im Kaukasus ausgebrochen waren, Kriege, von denen ich zum ersten Mal gehört hatte, als ich anfing, in Moskau mit dem Taxi zu fahren. Er begann mir davon zu erzählen, während wir in den Tunnel unter dem ganztägigen Verkehrsstau auf dem Neuen Arbat eintauchten (einer breiten, brutalen Allee mit lauter Boutiquen und Kasinos), um uns kurz darauf an der Gogol-Statue vorbeizuschieben. Als wir zur Metro-Station Kropotkinskaja, zum Fluss und der Kathedrale kamen, die hier in den Neunzigern in aller Eile wiederaufgebaut worden war, hatte er längst beide Hände vom Steuer genommen, um mir zu verdeutlichen, was irgendwer mit gewissen Körperteilen von irgendwem angestellt hatte.
    Schließlich hielten wir auf der Uferstraße. Ich gab ihm die vereinbarten hundert Rubel, dazu noch gefühlsduselige fünfzig Rubel Trinkgeld und hastete durch den Verkehr zur anderen Flussseite hinüber. Trotz einsetzenden Nieselregens konnte ich das Weiß eines Raumschiffs und die Bögen der klapprigen Achterbahn im Gorki-Park auf der anderen Seite des schwarzen Wassers erkennen. Und ich erinnere mich, dass ich einen Mann in engsitzender Badehose aus dem Fluss auf eine Plattform klettern sah, als ich über die schmale Gangway zum schwimmenden Restaurant ging.
    Trubeliger Lärm quoll aus dem Restaurant, in dem jeder jeden zu übertönen versuchte, und eine Band in schrillbunten Nationalkostümen spielte Sinatra mit aserbaidschanischem Einschlag. Als eine Kellnerin auf mich zukam, begann ich, ihr zu erklären, dass ich verabredet sei, nur fiel mir dann ein, dass ich nicht wusste, unter welchem Namen Mascha einen Tisch gebucht hatte, ja nicht einmal, ob sie wirklich Mascha hieß. Einen Moment lang dachte ich:
Was mache ich hier eigentlich in diesem verrückten Land in meinem türkisfarbenen Hemd? Für so was bin ich zu alt; ich bin achtunddreißig, und ich komme aus Luton
. Dann aber sah ich sie, wie sie mir vom anderen Ende des Restaurants zuwinkten, aus jenem Bereich, den man zu einer mittelalterlichen Galeone umgebaut hatte. Sie standen auf, um mich zu begrüßen, während ich

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