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Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Titel: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.D. Miller
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hinten in einem Taxi, unter oder auf Mascha oder im Fahrstuhl am Paweletskaja-Platz. Irgendwie war ich zu einem Menschen geworden, der mitmachte, wobei auch immer, der spürte, dass es nichts Gutes war, dem es aber nichts ausmachte, der die Papiere besorgte und so lange lächelte, wie er bekam, was er brauchte. Die Sorte Mensch, von der ich nie geahnt hatte, dass ich dazugehören könnte, bis ich nach Russland kam. Doch ich konnte so sein, und ich war so.
    Das war es, was ich lernte, als der Schnee meines letzten russischen Winters zu tauen begann. Bei dieser Lektion ging es nicht um Russland. Geht es nie, denke ich, wenn eine Beziehung endet. Man erfährt über den geliebten Menschen nichts Neues. Neues erfährt man nur über sich selbst.
    Ich war der Mann auf der anderen Seite der Tür. Mein Schneeglöckchen, das war ich.

SIEBZEHN
    A uf Druck der Banker und unserer Londoner Bosse sind Paolo und ich schließlich nach Norden gefahren, um uns die Ölanlage des Kosaken mit eigenen Augen anzusehen. Von Scheremetjewo, dem Inlandsflughafen mit Schlachthofcharme, flogen wir mit einer Maschine, die allem Anschein nach bloß noch von Tesafilm und Hoffnung zusammengehalten wurde. Von oben sah sie schön aus, die arktische Landschaft: Die Kiefernwälder noch mit beharrlichem Eis bestäubt; zwischen den Bäumen schlängelten sich und schäumten kleine Flüsse, das Meer lag dunkel da und ruhig.
    Der dem Terminal nächstgelegene Flughafen war in Murmansk, in jener Stadt also, in der Mascha und Katja ihren eigenen Worten zufolge aufgewachsen waren. Mir wurde die Verbindung erst bewusst, als wir im Flugzeug saßen. Im Nachhinein finde ich es zugleich schmerzlich und angemessen, dass es mich dorthin führen sollte. Damals war ich nur aufgeregt, obwohl es doch zu spät war und die Dinge sich längst zum Schlechten gewendet hatten. Ich freute mich, die Parks zu sehen, in denen sie gesessen haben mochten, die Gehwege, über die sie spaziert waren, die Motive, die ihre Leben tapeziert hatten. Mein Großvater war natürlich auch dort gewesen, damals, als in der Stadt die Hölle auf Erden herrschte, nur glaube ich nicht, dass ich oft an ihn gedacht habe. Ein großes Kriegsdenkmal stand am Rand der Stadt, aber ich war nicht dort. Dafür hatte ich keine Zeit.
    Laut Adresse, sagte man uns an der Hotelrezeption, liege das Projekt des Kosaken in einer alten sowjetischen Wohnsiedlung unweit vom Riesenrad, das sich langsam auf einem Hügel über den Docks drehte. Wir wählten die Nummer, die man uns für das Büro genannt hatte; niemand hob ab.
    Am zweiten Tag fuhren Paolo und ich selbst zu der Stelle, an der laut Wjatscheslaw Alexandrowitsch bald Öl durch Pipelines zu Supertankern gepumpt werden würde. Die Straße endete einige hundert Meter vor dem Strand. Wir stiegen aus dem Taxi und folgten einem unbefestigten Weg. Es war heiß, es wimmelte vor Mücken. Wir schlangen die Anzugsjacken über die Schulter und fluchten. Auf einem flachen Abschnitt am Meer war eine viereckige Grube, ungefähr so groß wie ein Squashplatz, schlammig, aber trocken, eine Grube, in der in einem Thriller ein Kidnapper seine Gefangene halten könnte. Rohre waren allerdings keine zu sehen, auch kein Supertanker und kein Öl. Da war überhaupt nichts.
    Paolo steckte sich eine Zigarette an und rauchte sie in einem Zug. Gut zehn Minuten standen wir da und versuchten, die Dimensionen zu begreifen, in denen wir angeschissen worden waren, zumindest fühlte ich mich so. Dann fuhren wir zurück ins Hotel und betranken uns.
    Wir saßen im obersten Stock am Tresen der Bar, die von einem dagestanischen Barkeeper und einer koreanischen Madame geführt wurde. Und wir tranken lange, wir tranken viel. Im Sommer blieb es da oben rund um die Uhr hell; noch um drei Uhr morgens konnten wir durch das Fenster die Kräne bei den Docks sehen, ihre Silhouetten wie gelähmte Insekten vor kitschig rosa Wolken, dazu herumsegelnde Möwen. Im Grunde traf uns keine Schuld, behaupteten wir. Der gesamte Schriftverkehr war korrekt geführt worden. Vielleicht hatten wir dem Kosaken ein wenig mehr Freiraum gelassen, als er es verdient gehabt hätte. Vielleicht war ich in Gedanken nicht immer ganz bei der Sache gewesen. Aber wir waren schließlich bloß Anwälte, keine Ingenieure und keine Privatdetektive. Eigentlich, stimmten wir überein, hatten wir nur das Pech, dass diese Sache gerade jetzt aufflog, als der Kreml die Regeln änderte – in einer Zeit, in der irgendwer beschloss, es gliche zu sehr

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