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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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voraussichtlich an?»
    «Die Flugzeit beträgt ungefähr eine Stunde. Vor Mittag sind wir dort. Also los, in zehn Minuten werden wir unten abgeholt.»
    Maura staunte, wie Grove sich auch unter Stress seine ausgeglichene Leichtigkeit zu bewahren schien. Er sah noch immer gepflegt und elegant aus, sogar nach einer schlaflosen Nacht, in der er sich das Geschnatter einer Schar von Koffein aufgeputschter Gelehrter hatte anhören müssen. Aber langsam zeigte sich, dass er mürbe wurde. Man sah es seinem Gesicht an und auch seiner Haltung. Anspannung und Erschöpfung hatten die Haut unter seinen Augen dunkel gefärbt, und er ließ die Schultern leicht hängen.
    Er kam zu Maura und berührte sie sanft am Arm. «Diesmal ist es sehr schlimm», sagte er. «Es eskaliert, und wir müssen den Kerl aufhalten.»
    «Ich verstehe, Ulysses, ich verstehe das wirklich.»
    «Tut mir Leid, Sie in diesem Tohuwabohu allein zu lassen.»
    «Machen Sie sich keine Sorgen», sagte sie. «Tun Sie mir nur einen Gefallen und seien Sie vorsichtig.»
    «Wird gemacht.» Er schenkte ihr ein kurzes Lächeln und streichelte ihren Arm. «Und sorgen Sie dafür, dass die Professoren weiterhin reden, von ihnen erfahren wir die tollsten Sachen.»
    «Kommen Sie, Partner», rief Zorn, während er an ihnen vorbei auf die Tür zustrebte. «Der Tatort wird alt und wir auch.»
    «Ich rufe Sie an», versprach Grove und berührte ihre Wange, nur ganz leicht. Dann zog er die Hand schnell zurück, als habe er es sich anders überlegt. Sie wünschte ihm Glück und schaute ihm nach, als er zur Tür hinausging.
    Einen Augenblick verweilte Maura noch im leeren Zimmer. Sie kam sich hilflos und klein und lachhaft vor in ihrem einzigen guten Kleid, und in ihren Ohren hallten die metallischen Geräusche der Waffen wider. Dann ging sie an die Tür und spähte um die Ecke.
    Die beiden Profiler hatten auf dem Weg zu den Fahrstühlen bereits den halben Korridor hinter sich. Zorn war Grove ein paar Schritte voraus und grummelte Anweisungen in sein Handy. Grove sah prüfend auf seine Uhr. Die Schöße seines eleganten Mantels bauschten sich hinter ihm.
    Einen kurzen und schlimmen Moment lang fragte sich Maura County – vielleicht gegen jede Vernunft –, ob sie Ulysses Grove je Wiedersehen würde.

Kapitel 14
Die Verlockung
     
     
     
    Es war zehn Uhr, als sie in leichtem Nieselregen von der Rollbahn in Travis abhoben. Die Böen schleuderten den Huey Cobra durch die Luft wie sich brechende Wellen. Der Hubschrauberpilot war ein Vietnamveteran namens Zimmer mit einem für Marines typischen Irokesen-Haarschnitt und Anabolika-Armen. Er quatschte pausenlos, der Klang seiner Stimme vermischte sich mit dem Knattern der Rotorblätter, und der schwankende Horizont wurde von den verspiegelten Gläsern seiner Fliegersonnenbrille reflektiert. Grove und Zorn saßen Seite an Seite auf der Bordschützenbank – vor dem Pilotensitz – wie zwei zu groß geratene Kinder in einem Schulbus. Durch das schmutzige Glas der Kabinenhaube sahen sie, wie die Welt unter ihnen in Übelkeit erregenden und gletscherlangsamen Drehungen forttaumelte, während der Helikopter sich durch die dichte Atmosphäre vorwärts schraubte.
    Was eigentlich ein Flug von anderthalb Stunden hätte sein sollen, wurde zu einer dreistündigen Achterbahnfahrt durch alle erdenklichen Launen des Frühlingswetters. Zuerst war es der Wind. Er jagte den Huey aus Travis hinaus, hinweg über die schwarzen Felsspitzen des Mendocino National Forest und die halbe Westküste hinauf. Die Sturmböen ließen die Nieten ächzen. Regen prasselte auf die Haube, und Captain Zimmer musste fast eine Stunde lang den Steuerknüppel mit beiden Händen halten, um den Chopper zu bändigen, der wie ein Wildpferd bockte. Wie durch ein Wunder wurde weder Grove noch Zorn übel. Sie verbrachten die meiste Zeit damit, einander vielsagend anzusehen, nervöse Blicke auf die Baumwipfel zu werfen, die fast zweihundert Meter unter ihnen vom Wind gepeitscht wurden, und sich gelegentlich am aufgerissenen Lederbezug ihrer Sitzbank festzukrallen, als hinge ihr Leben davon ab.
    Einmal rief Grove laut genug, um den Rotorlärm zu übertönen. «Haben Sie vor, ihn runterzubringen?!»
    «Was meinen Sie?», rief Zimmer.
    «Wir fliegen ein bisschen niedrig, oder nicht?» Grove deutete auf die schroffe Klippe, die unter ihnen auftauchte. Es sah so aus, als seien die Landekufen nur Zentimeter davon entfernt, über den Granit zu schrammen. Panisch verkrampfte sich Grove.
    «Das ist

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