Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
Vom Netzwerk:
pflegte Hannah mit Grove zu zanken, aber Grove schüttelte nur den Kopf und weigerte sich standhaft, etwas mit der alten Frau und ihrem faulen nubischen Hühnerknochenzauber zu tun zu haben.
    Grove schüttelte die Erinnerungen ab, als er den Sicherheitsgurt abstreifte und aus dem Hubschrauber kletterte.
    Der Regen war inzwischen zu einem ausgewachsenen Wolkenbruch geworden, und alle paar Sekunden flammten Blitze auf, die wie Krallen eines Untiers über den zornigen Himmel fetzten. Die beiden Profiler patschten durch Pfützen, hielten sich Zeitungen über den Kopf und hasteten zum Haupthangar.
    «Den Bockmist kaufen Sie denen doch nicht ab, oder?», rief Zorn gegen den Wind, als sie nebeneinander herliefen.
    «Welchen Bockmist meinen Sie?»
    «Dass von diesen Mumien böse Zauberkräfte ausgehen? Und wenn so’n armer Schlucker an einer vorbeikommt, dass er von ihr infiziert werden kann?»
    «Die Wahrheit?»
    «Nein, ich möchte, dass Sie mich belügen.»
    «Die Wahrheit ist, im Moment würde ich jedem alles abkaufen», rief Grove, während die Blitze wie Stroboskop-lichter zuckten und die Szenerie um sie herum zu einem Stummfilm in Zeitlupe verfremdeten.
    Eine vom Bureau abgestellte Begleiterin wartete im Hangartor auf sie. Karyn Flannery, eine altgediente, korpulente Agentin und zuständig für Öffentlichkeitsarbeit in Portland, trug einen unförmigen Regenmantel, einen Kunstfaserschal und zwei Regenschirme unter dem Arm. Sie wirkte wie eine knallharte kleine Lady, wie sie mit hellwachen Augen wartend dastand und Kaugummiblasen platzen ließ.
    «Meine Herren», sagte sie und deutete auf eine Tür, von der aus ein Gang das Hauptgebäude mit dem Vordereingang verband. «Ich nehme an, dass Sie es eilig haben, an den Tatort zu kommen.»
    Zorn nickte gen Himmel. «Wenn der verdammte Tatort überhaupt noch da ist.»
    Sie zuckte die Achseln und machte sich auf den Weg zur Tür. «Was soll man machen? Washington zur Frühlingszeit, nicht wahr? Geben Sie Acht, wo Sie hintreten, meine Herren.»
    Kurz darauf verließen sie das Gebäude und duckten sich unter ihre Schirme, während sie durch den Platzregen zu Special Agent Flannerys Jeep Cherokee trabten. Nach einem Kavalierstart und in einer Wolke von Auspuffgasen fuhr Flannery los.
    Die halbstündige Fahrt zum Regal Motel führte sie durch Cowlitz County, ein ausgedehntes Gebiet mit Kleinstädten und Naturschutzgebieten, so dicht bewaldet, dass noch der letzte Rest Tageslicht geschluckt wurde, der es schaffte, die dunklen Wolken zu durchdringen. Während sie zügig auf dem zweispurigen Highway vorankamen und die Scheibenwischer den Gegentakt zu Flannerys monotonem Bericht über die Tatortlogistik schlugen, schaute Grove durch die regennasse Windschutzscheibe auf die vorbeiziehende Landschaft. Er wusste, dass er sich eigentlich Notizen zu Flannerys kurzer Analyse des Tathergangs machen sollte, stattdessen erwischte er sich dabei, dass er an die Märchen von Hänsel und Gretel und Rotkäppchen dachte. In diesen Geschichten ging von dunklen Wäldern stets eine Verlockung aus. Hatten sie auch Ackerman angelockt? Schlich Ackerman draußen in den dunklen Schatten umher?
    Flannery berichtete, wie man die Opfer in ihren Motelzimmern vorgefunden hatte. Die Mordkommission aus Vancouver war sich hinsichtlich übereinstimmender Signaturen so lange nicht sicher gewesen, bis man die Türen zu den Zimmern geöffnet und entdeckt hatte, dass die Opfer offenbar allesamt zu beinahe derselben Zeit und an derselben Ursache gestorben waren. Außerdem hatte man sie post mortem in dieselbe bizarre Haltung versetzt. Es handelte sich um den schlimmsten Massenmord in der Geschichte von Southeastern Washington, und noch bevor die Kriminaltechniker aus Olympia am Tatort eingetroffen waren, hatte der Polizeipräsident von Vancouver eine Mitteilung herausgegeben, in der alle Abteilungen und die Medien informiert wurden, dass ein vom FBI gesuchter Mann mit Namen Richard Conrad Ackerman, bewaffnet, sehr gefährlich und labil, wahrscheinlich in ihrer Gegend sein Unwesen trieb. Fotos von Ackerman konnten bereits in den Morgennachrichten gezeigt werden. Die Einzelheiten der Morde – einschließlich der Identität der Opfer – wurden zurückgehalten, bis die Familien der Opfer benachrichtigt worden waren.
    Die Leute von der Spurensicherung fanden in den Zimmern ein Sammelsurium von brauchbarem Material – Haare, Fasern, Speichel, Fingerabdrücke, die ganze Chose –, so viele harte Beweise, dass selbst ein

Weitere Kostenlose Bücher