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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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Mount Shasta, Jungs, seht ihn euch gut an!» Der Captain nickte hinunter in Richtung des außerirdischen Planeten aus rauer Tundra, der unter ihnen vorbeirauschte, und als er nickte, schien der ganze Hubschrauber mit ihm zu nicken und gierte zu einer Seite wie ein Schiff, das auf stürmischer See Schlagseite bekommt.
    «ICH HABE GESAGT, SIE FLIEGEN EIN BISSCHEN NIEDRIG, ODER NICHT!!»
    Zimmer grinste spöttisch. Seine verspiegelten Brillengläser blitzten. «Das ist die einzige Möglichkeit.»
    «Die einzige Möglichkeit für was?»
    «Um unter dem Wind zu bleiben!» Der Pilot erzählte munter. «Hab’s schon drüben in ‘nam so gemacht, mit den Cobras über den Mekong! Hat den Schlitzaugen Heidenangst eingejagt.»
    Und so ging es scheinbar eine Ewigkeit weiter, aber es dauerte vielleicht anderthalb oder zwei Stunden höchstens, bis der Wind schließlich stetig blies und ein Trommelfeuer aus Regentropfen auf die Verkleidung des Huey prasseln ließ. Grove saß steif und angespannt da, der Sicherheitsgurt kniff ihn in der Taille. Trotzdem versuchte er, sich auf den Ackerman-Fall zu konzentrieren, aber sein Gehirn versagte ihm den Dienst. Fetzen und Splitter explodierender Feuerwerkskörper aus seinen Albträumen attackierten bei jeder Turbulenz seine Sinne – schattenhafte Gestalten auf einem Berghang, ein nachgerade unmenschlicher Klageruf, ein Feuersteindolch mit Griff aus Eschenholz, der über das Eis schabte. Grove spürte das Gewicht des .357er Magnum auf seiner Niere. Was zum Teufel tue ich eigentlich mit dieser Knarre, dachte er immer wieder. Komm mir vor wie John Motherfucking Wayne.
    Das Wort «Feind» kam Grove immer wieder in den Kopf. Wie war es in dem Artikel über John George Haig formuliert? Die Stimme Gottes hatte aus der Mumie gesprochen und Haig befohlen, Reinigungsrituale auszuführen, bis der Feind gefunden war. Vielleicht war Haig ein Irrer, der Stimmen hörte. Aber von welchem Feind hatte er gesprochen? Und was war der Zweck des Rituals?
    Irgendwo über der Grenze zu Oregon, als der Chopper wieder ins Torkeln geriet und über langen Reihen schwankender Wipfel von Mammutbäumen schlingerte, verdunkelte sich der Himmel so plötzlich, als sei der Hubschrauber direkt in einen langen Tunnel geflogen. Grove spürte, wie die Beschleunigungskraft ihn aus dem Sitz hob. Der Chopper kippte, und von einem Moment zum anderen war alles in Dunkel getaucht. Alarmlampen flackerten im Rumpf auf. Der Tag wurde zur Nacht. Verzerrte Stimmen krächzten aus Zimmers Funkgerät. Der Pilot kommunizierte jetzt mit Leuten auf dem Boden. Dann setzte der Lärm ein. Es hörte sich an, als würden Knallfrösche explodieren. Zimmer rief etwas, aber Grove verstand kein Wort.
    «WAS?»
    «HAGEL!», rief Zimmer.
    Zorn meldete sich. «HABEN WIR EIN PROBLEM?»
    Der Pilot knirschte mit den Zähnen. «NUR WENN DER BLITZ EINSCHLÄGT!»
    Die nächsten fünfundvierzig Minuten vergingen schemenhaft. Grove und Zorn umklammerten den Rahmen der Sitzbank wie mit Schraubzwingen, während Zimmer einen Kampf mit dem Steuerknüppel ausfocht und den Chopper durch den Tunnel aus schwarzem Schneeregen zwang. Die Eiskristalle schossen auf die Kabinenhaube zu, als seien sie aus Maschinengewehren abgefeuert worden, und der Rotor kreischte. Und zum ersten Mal während des Fluges redete Captain Elvin Zimmer nicht besonders viel.
    Sie gerieten letzten Endes doch noch in ein Gewitter, aber da befanden sie sich bereits auf der letzten Etappe ihres Fluges und erreichten gerade den Luftraum von Takoma. Zimmer schaffte es, den Helikopter am Rande eines überwucherten Behelfsflugfeldes ungefähr fünfzig Meilen südlich von Fort Lewis runterzubringen, und als sie schließlich aufsetzten, knirschte und knarrte der gesamte Huey wie das Knochengerüst eines erschöpften Greises. Grove sprach ein stummes Dankesgebet. Ihm brummte der Schädel, und als der Himmel seine Schleusen über der Militärbasis öffnete und wahre Wasserfälle über ihnen niedergingen, da dachte er aus irgendeinem Grund plötzlich an seine Mutter. Was merkwürdig war, denn Grove dachte nur selten an seine Mutter. Aber jetzt dachte er an Vida und ihren afrikanischen Hokuspokus. Und das zum dritten oder vierten Mal in ebenso vielen Tagen.
    Er entsann sich, dass Hannah der alten Dame oft Briefe schrieb, um sie ein wenig aufzuheitern und über Afrika und die alten Tage im Mutterland auszufragen. «Du solltest die Frau öfter mal zu uns einladen, Uly, sie ist doch deine Mama, Herrgott nochmal!»,

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