Die Eisprinzessin schläft
Erica wußte, zuweilen Reibungen zwischen seiner Frau Pernilla und ihm auslöste. Sie selber hatte eine eigene Methode gefunden, um sich für all die Abende zu rächen, die sie zusammen mit Dan vor irgendeiner sinnlosen sportlichen Aktivität auf dem Bildschirm verbringen mußte. Dan war fanatischer Anhänger von Djurgärden, und deshalb hatte Erica die Rolle des eifrigen AIK-Fans übernommen. Eigentlich war sie an Sport im allgemeinen und Eishockey im besonderen überhaupt nicht interessiert, aber gerade deshalb schien Dan die Sache noch mehr zu ärgern. Am allermeisten brachte es ihn auf, daß es sie kaum berührte, wenn AIK verlor.
»Schweden trifft auf Weißrußland!« Er ahnte das Fragezeichen und seufzte noch einmal tief. »OS, Erica, OS. Hast du überhaupt eine Ahnung, daß ein solches Ereignis gerade stattfindet …«
»Ach so, du meinst das Spiel. Ja, ist ja wohl klar, daß ich Bescheid weiß. Ich habe gedacht, du meinst, daß darüber hinaus noch irgendwas Besonderes stattfindet.«
Sie betonte die Worte so übertrieben, daß deutlich wurde, daß sie nicht die leiseste Ahnung von dem Spiel gehabt hatte, und sie lächelte, weil sie wußte, daß sich Dan jetzt über soviel Schmähung buchstäblich die Haare raufte. Sport war seiner Meinung nach keine Sache, über die man Scherze machte.
»Aber dann komme ich und guck mir das Spiel zusammen mit dir an, um nicht zu verpassen, wie Salming den russischen Widerstand zerschmettert .«
»Salming! Weißt du, wie viele Jahre es her ist, seit er aufgehört hat! Das war nur Spaß, oder? Sag, daß du nur Spaß gemacht hast.«
»Ja, Dan, es war ein Scherz. Ganz so hinterm Mond bin ich nicht. Ich komme vorbei und sehe mir Sundin an, wenn dir das lieber ist. Übrigens ein verdammt gut aussehender Kerl.«
Ein dritter tiefer Seufzer. Diesmal, weil es in Dans Augen Ketzerei war, über einen solchen Giganten der Eishockeywelt in anderen Termini als rein sportlichen zu sprechen. »Ja, komm nur. Aber ich will nicht, daß es wie beim vorigen Mal wird! Kein Gequatsche während des Spiels, keine Kommentare, daß die Spieler mit ihren Beinschützern richtig sexy aussehen, und vor allem nicht wieder solche Fragen wie, ob sie nur das Suspensorium anhaben oder auch noch Unterhosen drüber. Ist das klar?«
Erica unterdrückte ein Lachen und versicherte in erstem Ton: »Bei meiner Pfadfinderehre, Dan.«
Er brummte: »Du bist ja wohl keine Pfadfinderin gewesen.«
»Na ja eben.«
Dann drückte sie die Taste mit dem roten Telefon.
Dan und Pernilla wohnten in einem der relativ neu errichteten Reihenhäuser in Falkeliden. Die Häuserzeilen kletterten den Rabekullen hinauf, und ein Haus glich dem anderen, so daß sie kaum voneinander zu unterscheiden waren. Die Gegend war bei Familien mit Kindern beliebt, vor allem weil sie völlig ohne Seeblick war und die Preise somit nicht in jene schwindelerregenden Höhen gestiegen waren wie bei den Häusern näher am Meer.
Es war ein viel zu kalter Abend, um zu Fuß zu gehen. Erica nahm das Auto, das jedoch heftig protestierte, als sie auf dem steilen, nur mäßig mit Sand bestreuten Hang beschleunigte. Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung bog sie schließlich in Dans und Pernillas Straße ein.
Erica klingelte an der Tür, und dahinter hörte man sofort das tumultartige Getrappel kleiner Füße. Eine Sekunde später wurde die Haustür von einem kleinen Mädchen im langen Nachthemd aufgerissen. Es war Lisen, Dans und Pernillas jüngstes Kind. Heiße Gefühle brodelten in Malin, der Mittleren, die es ungerecht fand, daß Lisen die Tür für Erica öffnen durfte, und der Streit verstummte erst, als Pernillas entschiedene Stimme aus der Küche erklang. Bellinda, die Älteste, war dreizehn, und als Erica am Markt vorbeigefahren war, hatte sie das Mädchen an Ackes Wurstbude stehen sehen, umgeben von ein paar grünen Jungs mit Moped. Sie würde ihren Eltern bestimmt bald einiges zu schaffen machen.
Nachdem Erica die Kleinen umarmt hatte, verschwanden sie genauso schnell, wie sie gekommen waren, und ließen Erica in aller Ruhe ihren Mantel ausziehen.
Pernilla stand mit rosigen Wangen und einer Schürze, auf der in großen Buchstaben »Küß den Koch« zu lesen war, in der Küche und machte das Abendessen. Sie wirkte, als befinde sie sich mitten in einer kritischen Phase der Zubereitung, und winkte Erica nur leicht zerstreut zu, bevor sie sich wieder ihren Töpfen und Pfannen zuwandte, die auf dem Herd dampften und zischten. Erica begab
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