Die Eisprinzessin schläft
Zeit konnte er stammeln: »Ja, absolut. Wirklich phantastisch.«
Er schaute Frau Petren ängstlich an, um zu sehen, ob sie mitbekam, daß Worte und Tonfall nicht richtig zusammenpaßten. Zu seiner Verwunderung lächelte sie spitzbübisch, was ihre Augen funkeln ließ.
»Mach er sich keine Sorgen. Ich merke schon, das hier entspricht nicht direkt seinem Geschmack, aber wenn man alt wird, dann gibt es gewisse Verpflichtungen, wie er vielleicht versteht.«
»Verpflichtungen?«
»Man muß irgendwie exzentrisch sein, um interessant zu wirken. Sonst ist man nur ein langweiliges altes Weib, und davon will unsereiner schließlich nichts wissen, versteht er?«
»Ja, aber warum gerade Wichtel?«
Patrik konnte es noch immer nicht richtig begreifen, und Frau Petren erklärte es ihm, so als spräche sie zu einem Kind.
»Ja, das Schöne mit den Wichteln ist, wie er vielleicht versteht, daß man die Sache nur einmal im Jahr betreiben muß. Die übrige Zeit ist es hier so leer von irgendwelchem Zeug, daß er sich das kaum vorstellen kann. Obendrein hat die Sache den Vorteil, daß es hier um Weihnachten rum ein Mordsgerenne von Kindern gibt. Und für ein altes Weib, das nicht eben viel Besuch bekommt, ist es eine Freude für die Seele, wenn die Kleinen an der Tür klingeln, um sich die Wichtel anzusehen.«
»Aber wie lange haben sie die Wichtel denn stehen, Frau Petren, wir haben jetzt doch schon Mitte März?«
»Ja, ich fange ungefähr im Oktober an, sie rauszuholen, und räume sie zum April hin weg. Aber da muß er auch bedenken, daß es bestimmt eine Woche oder zwei dauert, um sie erst aufzustellen und dann wieder wegzupacken.«
Patrik hatte nicht die geringste Schwierigkeit, sich vorzustellen, daß die angegebene Zeit erforderlich war. Er versuchte schnell zu überschlagen, wie viele Figuren hier standen, aber sein Gehirn hatte sich von dem optischen Schock noch immer nicht erholt, und er mußte sich also mit einer direkten Frage an Frau Petren wenden: »Wie viele Wichtel haben Sie denn hier?«
Die Antwort erfolgte schnell und zügig: »Eintausendvierhundertunddreiundvierzig,nein Entschuldigung, eintausendvierhundertundzweiundvierzig - ich habe gestern aus Versehen einen zerschlagen. Übrigens einen der schönsten«, sagte Frau Petren mit betrübter Miene.
Sie raffte sich jedoch rasch wieder auf und ließ die Sonne in ihrem Blick erstrahlen. Mit erstaunlicher Kraft packte sie Patrik am Jackettärmel und schleppte ihn förmlich in die Küche, in der es im Gegensatz zur übrigen Wohnung nicht einen Wichtel gab. Diskret glättete Patrik sein Jackett, und er hatte das Gefühl, daß sie ihn bestimmt beim Ohr gepackt hätte, wenn sich das nur in ihrer Reichweite befunden hätte.
»Wir setzen uns hier hin. Unsereiner bekommt es ein bißchen satt, ständig von einer Menge Weihnachtsmänner umgeben zu sein. Hier aus der Küche sind sie verbannt.«
Er ließ sich auf der harten Küchenbank nieder, nachdem sie all seine Angebote, ihr behilflich zu sein, brüsk zurückgewiesen hatte. Im stillen war er darauf vorbereitet, einen dünnen, erbärmlichen Kochkaffee vorgesetzt zu bekommen, und so blieb ihm zum zweitenmal innerhalb kürzester Zeit der Mund offenstehen beim Anblick der großen, blinkenden, hypermodernen Kaffeemaschine, die auf dem Spültisch thronte.
»Was will er haben? Cappuccino? Cafe au lait? Vielleicht einen doppelten Espresso - den scheint er zu brauchen.«
Patrik vermochte nur zu nicken, und Frau Petren genoß seine Verwunderung ganz offensichtlich.
»Was hat er erwartet? Einen alten Kochkessel von 1943 und handgemahlene Bohnen? Nein, nur weil unsereiner ein altes Weib ist, heißt das doch nicht, daß man sich nichts Gutes im Leben gönnt. Die hier hat mir mein Sohn vor ein paar Jahren zu Weihnachten geschenkt, und die läuft heiß, kann ich ihm versichern. Manchmal stehen die Weiber aus der Nachbarschaft Schlange, um einen Schluck davon trinken zu dürfen.«
Sie tätschelte die Maschine zärtlich, die jetzt zischte und fauchte, um die Milch zu luftigem Schaum zu schlagen.
Während der Kaffee in Arbeit war, materialisierte sich auf dem Tisch vor Patrik ein phantastisches Backwerk nach dem anderen. So weit das Auge reichte weder trockene Kekse noch nüchterne Hefezöpfe. Statt dessen riesige Zimtschnecken, enorme Muffins, schwere Schokoladenkuchen und lockeres Baisergebäck. Patriks Augen wurden immer größer, und sein Speichel lief und drohte aus den Mundwinkeln zu tropfen. Frau Petren lachte glucksend beim
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